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U23
16.02.2024

Max Bergmann: Spielanalysen auf YouTube als Karrierebooster

Max Bergmann arbeitet seit dieser Saison als Co-Trainer der U23. Der 26-Jährige hat schon viel erlebt an der Seitenlinie, saß unter anderem schon einmal in der 3. Liga als Hauptverantwortlicher auf der Bank. Dabei verlief sein Einstieg als Coach in den Profifußball speziell: Spiel- und Traineranalysen, die er im Internet veröffentlichte, erwiesen sich als Karrierebooster. In Hoffenheim sieht er seine Aufgabe darin, die Talente im Profi-Unterbau auf ihrem Weg zu unterstützen.

Das Rampenlicht schätzt Max Bergmann eigentlich nicht sonderlich. Das Naturell des heutigen Co-Trainers der TSG Hoffenheim II deutet auf einen ruhigen, ausgeglichenen Charakter hin. Die Ausführungen des Norddeutschen skizzieren einen fleißigen Arbeiter. Jemanden, für den Akribie kein Fremdwort ist. Der lieber mit Leistung überzeugt und weniger mit Lautstärke.

Am 19. April 2022 kam Bergmann allerdings nicht drumherum, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Damals trat er einen bemerkenswerten Schritt nach vorne: in die erste Reihe des Profifußballs. Und das mit gerade einmal 24 Jahren. Als Interimstrainer in der 3. Liga für genau eine Partie.

Eine Geschichte, die natürlich die Neugier in der Sportmedienwelt weckte, auch überregional. Sie ist weiterhin schnell auffindbar auf den gängigen Portalen im Internet. Es reicht, den Namen Max Bergmann in eine der entsprechenden Suchleisten einzugeben. Ein Klick, schon ploppen die Meldungen auf. 

Für gewöhnlich verantworten 24-Jährige kein Profifußballteam an der Seitenlinie. Auch nicht in „nur“ einem Spiel, wie es Bergmann vor knapp zweieinhalb Jahren tat, als er bei seinem damaligen Verein, dem Halleschen FC, den etatmäßigen und für eine Partie gesperrten Cheftrainer André Meyer vertrat.  Der HFC machte seinerzeit gegen den VfL Osnabrück einen 1:3-Rückstand wett. Die Partie endete 3:3.

Nein, 24-Jährige haben in der Regel ihre Ausbildung wenige Monate oder Jahre hinter sich, sind nicht selten Neulinge in ihrem Job. Oder aber sie studieren und bereiten sich auf das Berufsleben vor. Bei Max Bergmann verlief der Weg etwas anders – auch wenn er einst selbst ein Sportstudium aufgenommen hatte. Ergebnisoffen, wie er selbst betont. Denn dass er schon immer den unbedingten Wunsch hatte, im Berufsfußball anzukommen, behauptet Bergmann nicht von sich.

Bouldern oder Fußballspielen? Das Runde setzt sich durch

Bergmann hatte in seiner Heimatstadt Bremen seit frühen Kindertagen Fußball gespielt – in seinem Heimatverein, dem FC Union 60 Bremen. „Ambitionierter Breitensport“, erinnert er sich. „Die meisten Jahre habe ich in der Jugend auf Verbandsliganiveau gespielt. Da wird einem irgendwann klar, dass es mit der großen Profikarriere nichts wird.“ Zwischenzeitlich fokussierte sich Bergmann mehr auf seine zweite sportliche Leidenschaft, das Bouldern. Sie führte ihn nach dem Abitur sogar mal für ein halbes Jahr nach Laos, wo er als Klettertrainer jobbte. Ganz los vom Fußball kam er dann aber doch nicht – ein Glücksfall für ihn, im Nachhinein.

Als U19-Spieler hatte Bergmann, nachdem er zuvor eine Zeitlang nur unregelmäßig im zweiten Union-A-Juniorenteam gekickt hatte, die Kurve hin zum Fußball noch einmal bekommen. „Mein damaliger Trainer Dave Kankam hat das Feuer in mir wieder entfacht. Ich habe dann ein Jahr bei einem anderen Verein in Bremen, der SG Findorff, bei den Aktiven gespielt und gleichzeitig die F-Jugend trainiert. Danach bin ich noch mal zurück zu Union 60 und durfte die U17 coachen, was für mich etwas Besonderes war, denn ich hatte wenige Jahre zuvor selbst noch in diesem Team gespielt.“ Bergmann gab seine Tätigkeit bei Union nach 15 Monaten allerdings auf, um in Frankfurt Sport zu studieren und dafür in die hessische Metropole zu ziehen. Um weiter als Fußballcoach Erfahrungen zu sammeln, heuerte er bei der SG Rosenhöhe Offenbach an und wirkte als Co-Trainer der U16 und U17.

Das klingt zugegebenermaßen nach einem Werdegang, der vielleicht in einem von 100 Fällen in eine Laufbahn im Profifußball münden kann. Und auch nur dann, wenn zur richtigen Zeit die richtigen Personen auf einen aufmerksam werden, ein gewisses Potenzial erkennen und es fördern. Demjenigen eine Chance geben, der sie sich allerdings auch verdient hat, obwohl er bisher keine schillernde Vita vorweisen kann. Weil er ein besonderes Profil mitbringt.

Bei Max Bergmann trat genau dies ein. Wenngleich er sich die entsprechende Möglichkeit selbst erarbeitete. Nicht als Trainer auf dem Fußballplatz, in Bremen oder Offenbach. Sondern auf anderem Terrain. Im Internet.

Bergmanns Analysen fallen Ralf Rangnick, aber auch in Halle auf

„Ich habe mich schon immer sehr für Taktiken der Fußballteams interessiert und irgendwann damit begonnen, darüber zu schreiben. Es begann als Hobby, bei Twitter habe ich meine Artikel geteilt, darüber ist der Kontakt zum Portal Total Football Analysis entstanden, für das ich dann zunächst Artikel geschrieben und später auch Videos erstellt habe. Von Vorteil war, dass ich mich im Bereich Videoschnitt durch meine Arbeit als Trainer bereits auskannte.“ Bergmanns Videos sind noch heute auf YouTube zu finden. Von Jesse Marsch zu seiner Zeit bei RB Salzburg über Chris Wilder beim Premier-League-Klub Sheffield United FC in der Saison 2019/20 bis hin zu einzelnen Partien wie dem 8:2 des FC Bayern in der Champions League gegen den FC Barcelona reicht die Bandbreite der von Bergmann sezierten Trainer und Partien.

Die Videos blieben in der Szene nicht unentdeckt. Ralf Rangnick etwa nahm sogar persönlich Kontakt zu Bergmann auf und bat ihn, ihm das über seine Arbeit produzierte Video zuzuschicken. „Ich gehe davon aus, dass er mit der Analyse einverstanden war“, sagt Bergmann schmunzelnd – und doch war der Austausch mit dem heutigen österreichischen Nationaltrainer nicht der wichtigste zur damaligen Zeit.

Beim Halleschen FC sah Steffen Weiß, damals Sportlicher Leiter der HFC-Nachwuchsabteilung, Bergmanns Videos und wollte mehr über den Mann hinter den Beiträgen wissen (Bergmann selbst ist auf dem Bildschirm nie zu sehen, lediglich seine Stimme ist zu hören). Weiß recherchierte und witterte, als ihm die Vita Bergmanns als Trainer vorlag, die Chance, ihn nach Sachsen-Anhalt zu lotsen. Das Angebot an den Coach bestand darin, in Halle in der Jugend als Spiel- und Videoanalyst und gleichzeitig als Co-Trainer der U17, die damals in der Bundesliga Nord/Nordost der B-Junioren mitspielte, zu arbeiten. „Natürlich war ich überrascht, als Steffen mich kontaktiert hat. Mir war schnell klar, dass ich diese Chance nutzen möchte.“ Was Bergmann dann auch tat und beim HFC die Karriereleiter rasant hinaufkletterte. Das Studium in Frankfurt unterbrach er dafür, führt es aber derzeit an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport fort, mit dem Ziel Bachelor-Abschluss.

Terrence Boyd und Sport1 honorieren das Wirken des jungen Trainers

Als Bergmann in Halle anheuerte, stand die Corona-Pandemie kurz bevor. Sie prägte schlussendlich die Zeit des früheren Defensivspielers in der HFC-Nachwuchsabteilung: In beiden Spielzeiten, in denen er als Co-Trainer zunächst in der U17 und dann in der U19 arbeitete, stand schlussendlich der Saisonabbruch – und positiv ausgedrückt zwei Mal der Klassenerhalt, wenngleich dieser dem abgeschlagenen Schlusslicht in der B-Junioren-Bundesliga Nord/Nordost auf sportlichem Wege in der Spielzeit 2019/20 wahrscheinlich nicht mehr geglückt wäre. In die Saison 2020/21 starteten die Hallenser A-Junioren hingegen mit vier Punkten aus vier Spielen ordentlich. Nach dem Abbruch der U19-Bundesligasaison war dann zumindest ein Testspielbetrieb weiterhin möglich.

Bergmann schaffte es trotz vermeintlich widriger Umstände, sich beim HFC zu etablieren. „Ich habe im Umfeld immer das Vertrauen gespürt, dafür bin ich sehr dankbar. Wenn man mit so jungen Jahren und ohne Profi-Hintergrund neu bei einem Verein anfängt, ist es natürlich eine Grundvoraussetzung, dass die Verantwortlichen einem den Rücken stärken. Ich habe versucht, mit meiner Arbeit zu überzeugen und über das Fachliche zu kommen. Ich war mir sicher, dass der Verein und die Spieler meine Arbeit wertschätzen werden.“ In der Tat, denn im Sommer 2021 stieg Bergmann – ab dann erstmals in Vollzeit angestellt – zunächst zum Analysten und im Winter 2022 zusätzlich zum Co-Trainer der Drittliga-Profis auf. Auf diese Weise kam er auch zu seinem Cheftrainer-Debüt im Profifußball, nach dem unter anderem der damalige Kaiserslautern-Profi und ehemalige HFC-Angreifer Terrence Boyd den Satz „Diesen Namen sollte man sich merken“ twitterte und die Internetseite Sport1 in ihrem Artikel titelte: „Aus dem Internet an die Seitenlinie“.

Senkrechtstarter findet in Hoffenheim eine neue Herausforderung

Dass der HFC mit aktuell zwölf Jahren am Stück die längste Zugehörigkeit in der 3. Liga in Serie aufweist, erfüllt Bergmann ob seiner insgesamt vier Jahre in Diensten des Klubs mit Freude, und natürlich drückt er den Hallensern die Daumen, dass sie auch in dieser Saison wieder den Klassenerhalt bewerkstelligen. Schon im Frühjahr vor dem Ende der Saison 2022/23 hatte Bergmann dennoch den Entschluss gefasst, eine neue Station in Angriff nehmen zu wollen. „Der Zeitpunkt erschien mir für meine persönliche Entwicklung der richtige zu sein.“ Er fand die Herausforderung in Hoffenheim. Dort hatten die Verantwortlichen in der Akademie seinen Weg als junger Coach beim HFC ebenfalls registriert. „Ich habe in Halle in der Jugend mit jungen und sehr guten Spielern zusammengearbeitet. Mit den Voraussetzungen in Hoffenheim ist das aber nicht vergleichbar. Jeder Spieler bei uns im Nachwuchs wäre in Halle ein herausragendes Toptalent. Es ist ein Privileg, die Spieler in der U23 auf ihrem Weg zu unterstützen.“ Das tut Bergmann als Co-Trainer, wenngleich er auch seine Expertise im Bereich der Videoanalyse weiterhin in die tägliche Arbeit einbringt.

Nach dem dritten Platz in der Vorsaison spielt „Hoffe zwo“ heuer wieder oben mit, belegt in der Winterpause den zweiten Rang. „Wir werden mit unserem jungen Team von den erfahrenen Regionalligisten immer wieder vor große Aufgaben gestellt. Unser Ziel muss es sein, auch unter schwierigen Bedingungen unser Spiel durchzubringen. Wenn uns das dann gelingt, wie etwa beim 1:0 kurz vor der Winterpause in Offenbach, bereitet uns das sehr viel Freude“, sagt Bergmann zu seiner Premierensaison in Hoffenheim, die am 3. März mit dem Heimspiel gegen die TuS Koblenz fortgesetzt wird.

Der kurzfristige Fokus liegt beim Co-Trainer komplett auf einem erfolgreichen Verlauf der Spielzeit. Im Sommer wird Bergmann mal wieder die Seiten wechseln. Zwar hat er die Arbeit an Fußball-Videoanalysen für die Allgemeinheit auf YouTube mittlerweile quasi eingestellt, zur EM 2024 im eigenen Land macht er jedoch eine Ausnahme und wird die Newsplattform Watson mit Einordnungen unter anderem zu den deutschen Auftritten beliefern. „Ich war vor einigen Jahren nicht auf den Trainerberuf festgelegt und hätte es auch spannend gefunden, zum Beispiel als Sportredakteur zu arbeiten“, sagt Bergmann. Letztlich war es zu einem großen Teil auch die journalistische Ader, die ihm den Weg als Coach in den Profifußball ebnete. 

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