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SPIELFELD
27.02.2024

Bülter: „Mein Weg ist außergewöhnlich“

Marius Bülter ist erst im Alter von 25 Jahren Fußball-Profi geworden. Fünf Jahre später hat sich der Münsterländer, der im vergangenen Sommer vom FC Schalke 04 zur TSG Hoffenheim wechselte, als Bundesliga-Spieler etabliert. Im SPIELFELD-Interview spricht der linke Außenspieler über sein erstes halbes Jahr in Hoffenheim, sein abgeschlossenes Maschinenbau-Studium und seinen speziellen Blick auf das Fußballgeschäft.

Marius, nach einem Training in der Saisonvorbereitung in Kitzbühel hast Du gesagt, Du willst Dein Maximum bei der TSG erreichen. Hast Du das Gefühl, dass Du schon dran bist an Deiner Bestleistung?

„Es geht sicherlich noch mehr, keine Frage. Es war auch so, dass ich ein Stück weit eine andere Position gespielt habe als bei meinen Stationen vorher. Es geht immer mehr nach oben. Und wenn ich vom Maximum geredet habe, zählt natürlich erst mal der maximale Erfolg mit der Mannschaft. Und auch da geht noch mehr. Genauso wie für mich persönlich. Zwei, drei Tore wären nett gewesen.“

Fühlst Du Dich nach einem halben Jahr gut angekommen?

„Ich habe mich schnell wohlgefühlt innerhalb der Mannschaft, ich wurde super aufgenommen. Ich bin deswegen sehr zufrieden. Alles in allem ist also alles richtig gut.“

Gab es eine bestimmte Schlüsselszene für Dich?

„Mein Tor in Bremen in der Nachspielzeit, mit dem wir 3:2 gewonnen haben. Das war die Szene, nach der ich sagen konnte, jetzt bin ich hier angekommen. Wenn ich an die Hinrunde denke, war das mein persönliches Highlight. Ich hoffe, dass noch viele weitere folgen.“

Schon in der Saisonvorbereitung kamen auf der linken Außenbahn für Dich defensive Aufgaben hinzu. Wie hast Du darauf reagiert?

„Mein erstes Bauchgefühl war, dass ich darauf Bock habe. Es ist ja auch keine komplett andere Position. Ich hatte es vorher auch schon mal bei anderen Vereinen gespielt. Ich merke auch, dass es von Spiel zu Spiel besser wird. Und wenn wir gerade von Maximum gesprochen haben, ist auch sicherlich dabei noch Luft nach oben.“

Wie siehst Du Dein Standing in der Mannschaft?

„Ich bin ja erst gerade einmal ein halbes Jahr da, daher bin ich jetzt kein klassischer Führungsspieler. Aber zugleich bin ich ja auch nicht der Jüngste. Ich war nie ein Spieler, der viel in der Kabine spricht, sondern eher einer, der versucht, auf dem Platz mit Leistung voranzugehen. Man wächst wahrscheinlich in die Rolle rein. Insofern habe ich auch noch etwas Zeit, weil mein Vertrag ja bis 2026 läuft.“ (lacht)

Passt der Begriff Spätstarter in Bezug auf Fußball zu Dir? Oder ist das für Dich eher negativ behaftet?

„Nein, das ist überhaupt nicht abwertend. Es ist halt so, dass es nicht viele Spieler gibt, die erst mit 26 ihr erstes Bundesligaspiel gemacht haben und sich dann in der Liga etablieren. Deswegen kann man mich schon als Spätstarter bezeichnen.“

Hättest Du vor sechs, sieben Jahren gedacht, dass Du mal 100 Bundesligaspiele auf dem Konto haben könntest?

„Nein, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Mein Weg ist eben außergewöhnlich, so etwas kommt nicht oft vor. Vielleicht weiß ich viele Dinge deshalb auch umso mehr zu schätzen. Als kleiner Junge hat man ja davon geträumt, hat beim Kicken immer die Stars nachgeahmt. Wenn man überlegt, wie wenig Fußballer es gibt, die in der Bundesliga spielen, ist es eigentlich schon verrückt, es so weit gebracht zu haben. Einer von ihnen zu sein, ist schon besonders. Man realisiert das wahrscheinlich erst richtig, wenn man mit 50 Jahren auf der Couch sitzt.“

In Rheine, Neuenkirchen und Rödinghausen hast Du in der Regionalliga und sogar in der fünften Liga gespielt. In Rödinghausen wurdest Du mit 25 Jahren Regionalliga-Torschützenkönig. Wie greifbar war es für Dich, noch Profi zu werden?

„Während meiner Zeit in Rheine war das Thema ganz weit weg, da habe ich keinen Gedanken an Profifußball verschwendet. In Rödinghausen wurde das anders, weil dort bereits annähernd unter Profibedingungen trainiert wurde. Die Dritte Liga, und damit das Tor zu den Profis, war nicht weit weg. In Magdeburg, die in die Zweite Liga aufgestiegen waren, habe ich dann den Sprung geschafft, auch wenn wir am Saisonende wieder abgestiegen sind.“

Zuletzt hast Du jeweils zwei Jahre für Union Berlin und Schalke 04 gespielt, zwei Klubs mit einer großen und emotionalen Fanbasis. Bei der TSG ist das Umfeld ruhiger. Empfindest Du das als Vorteil? Oder denkst Du, dass mehr Druck vielleicht manchmal auch guttut?

„Ich finde Druck manchmal gar nicht so schlecht, aber es gibt auch Phasen, in denen es belastend sein kann. Bei Schalke ist der Druck manchmal so hoch, dass er einen bei der Arbeit behindert. Da reden viele Leute rein. Das gibt es bei der TSG nicht in dem Ausmaß, hier konzentrierst du dich auf deine Aufgaben. Mir war es bewusst, dass das ganze Umfeld hier ein bisschen ruhiger ist, dass man hier auch entspannter arbeiten kann, was von Vorteil sein kann. Den Druck machen wir uns als Mannschaft selbst, weil wir alle Spiele gewinnen wollen.“

Bei Schalke-Heimspielen wird es häufig sehr laut und emotional. Hast Du diese Stimmung auch schon mal vermisst?

„Mir fallen wenige Vereine ein, eigentlich gar keiner, bei denen eine bessere Stimmung herrscht als auf Schalke. Ich finde aber, dass wir in dieser Saison schon mehrere Spiele hatten, bei denen es auch eine gute Stimmung in unserer Arena gab. Im Endeffekt sind wir als Mannschaft dafür verantwortlich, dass wir unseren Fans einen Grund geben, gute Stimmung zu machen. Das haben wir, muss man leider sagen, in einigen Heimspielen nicht so geschafft.“

Du bist der einzige Feldspieler der TSG, der in der Hinrunde in jeder Partie zum Einsatz gekommen ist. Was meinst Du, woran es liegt, dass der Trainer in keinem Spiel auf Dich verzichten will?

„In erster Linie muss man dafür gesund sein. Und dafür tue ich viel, dass es auch weiterhin so bleibt. Klar freue ich mich, dass ich bisher in jedem Spiel auf dem Platz stand. Das zeigt auch, dass ich gut angekommen bin in Hoffenheim.“

Du bist generell sehr konstant und hast auch bei Schalke in den vergangenen beiden Spielzeiten nur drei Spiele gefehlt. Machst Du etwas Spezielles für Deine Fitness?

„Ich mache recht viel, was die Vorbereitung und Nachbereitung auf die Spiele, aber auch auf jedes Training angeht. Mit den Jahren habe ich meinen Körper kennengelernt und weiß, was ich brauche. Ich spüre, wenn er mir vielleicht auch mal Signale sendet, dass man es ein bisschen ruhiger angehen muss. Aber vielleicht gibt es auch mal eine Phase, in der man wieder mehr machen muss, um körperlich etwas aufzubauen. Das hat in den vergangenen Jahren echt gut geklappt. Darüber bin ich sehr froh, dazu gehört sicherlich auch etwas Glück.“

Dein Weg in den Bundesliga-Fußball war außergewöhnlich, auch Dein Bachelor-Abschluss im Maschinenbau ist nicht die Regel für einen Profi. War das Studium und die Fachrichtung überlegt gewählt?

„Das war auf jeden Fall eine bewusste Entscheidung. Ich wollte etwas studieren, was mir Perspektiven gibt, anschließend einen guten Job zu bekommen. Mein Vater hat den gleichen Weg eingeschlagen und ebenfalls Maschinenbau studiert. Durch ihn fand ich das Studienfach ziemlich spannend. Zudem hat mir in der Schule – neben Sport – Mathematik am meisten Spaß gemacht. Obwohl ich da eigentlich nie der Beste war.“ (lacht)

Hast Du das Studium locker geschafft oder gab es Momente, in denen es schwierig wurde, es mit dem Fußball zu vereinbaren?

„Lange war es cool für mich, nur nebenbei Fußball zu spielen. Weil ich damit ein bisschen Geld verdienen konnte und nichts anderes arbeiten musste. Ich hatte nicht diesen Druck, mein Studium schnell zu beenden. Schwierig wurde es, als ich nach Magdeburg wechselte. 95 Prozent des Studiums waren geschafft, aber es fehlten noch zwei, drei Prüfungen. Vorher war das größte Problem meine Bachelorarbeit. Im Maschinenbau-Studium schreibt man über ein Thema aus einem Unternehmen, bei dem man ein zwölfwöchiges Praktikum machen muss. Danach hat man weitere zwölf Wochen für das Verfassen der Bachelorarbeit. Ich habe damals in der Regionalliga mit Rödinghausen gespielt, hatte jeden Tag Training und teilweise weite Auswärtsreisen. Es war dann ein halbes Jahr lang so, dass ich um 7:00 Uhr angefangen habe zu arbeiten und anschließend direkt zum Training gefahren bin. Weil ich diese Belastung hatte, hat es gedauert, bis ich die Bachelorarbeit dann wirklich begonnen und auch abgeschlossen habe. (lacht) Ich wollte sie unbedingt fertig machen. Vielleicht zeichnet es mich aus, dass ich nicht aufgebe und Sachen zu Ende bringen will.“

Und ist es nun, obwohl Du Profi geworden bist, ein gutes Gefühl, das Studium geschafft zu haben?

„Absolut. Ich bin stolz darauf, dass ich es beendet habe. Irgendwann war es auch so weit, dass mir meine Eltern in den Hintern getreten und gesagt haben: ‚Jetzt hast du dein Studium bis auf die Bachelorarbeit eigentlich fertig. Jetzt machst du es aber auch zu Ende. Irgendwann wirst du das Studium noch brauchen.‘ Damals wussten wir nicht, dass es mit dem Fußball mal so gut läuft. Und vielleicht werde ich es auch noch irgendwann wirklich brauchen.“

Hat Dein ungewöhnlicher Weg möglicherweise auch Deinen Blick aufs Profigeschäft verändert?

„Ich habe in jener Zeit, auch wenn es nur ein halbes Jahr war, natürlich gesehen, was andere Menschen leisten müssen, um ihr Geld zu verdienen. Deswegen weiß ich genau, was für ein Privileg wir Fußball-Profis haben. Aber das wissen die anderen Spieler bei der TSG auch. Ich habe allerdings die andere Seite schon etwas genauer kennengelernt und gespürt, wie es ist, acht Stunden am Tag in einem normalen Beruf zu arbeiten.“

Hast Du das Ziel, wie viele andere Profis, im Fußball zu bleiben, wenn die Spieler-Karriere zu Ende ist?

„Ich kann es mir zumindest nicht vorstellen, dieses Leben, so wie man es jetzt als Fußball-Profi hat, weiterzuleben. Dass man jedes Wochenende unterwegs ist, immer davon abhängig ist, wo der Job einen hinführt, wo man hinziehen muss, keine richtige Heimat hat. Das kann ich mir, Stand jetzt, schwer vorstellen. Man muss auf vieles verzichten, kann Einladungen an Wochenenden zu Geburtsfeiern, Hochzeiten und anderen Dingen nicht annehmen. Das sind Sachen, auf die ich mittlerweile seit zehn Jahren, ja eigentlich mein ganzes bisheriges Leben lang verzichte.“

Hältst Du privat auch Distanz zum Fußball?

„Ich habe das Glück, dass ich in meiner Freizeit gut vom Fußball abschalten kann, habe keine schlaflosen Nächte und denke in meinem privaten Umfeld nicht zu viel über Fußball nach. Wenn ich nach Hause komme, rede ich wenig über Fußball – auch, weil meine Frau kein Fußballfan ist. Das tut mir gut.“

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