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09.03.2019

Mit „Loba“ und „Blocha“ zählte Kiew einst zur Weltspitze

Am Dienstag geht es für die U19 im Youth-League-Achtelfinale gegen Dynamo Kiew. Mit was für einem Klub es die A-Junioren der TSG da zu tun bekommen, erklärt achtzehn99.de mit einem Blick auf die Historie des stolzen ukrainischen Rekordmeisters.

Im vergangenen Mai kehrte der große Fußball wieder ins Kiewer Stadion „Olimpijskyj“ zurück. Millionen Menschen an den Fernsehschirmen sahen den 3:1-Erfolg Real Madrids im Champions-League-Finale gegen den Liverpool FC. Die Zeiten, in denen der einheimische Klub Dynamo hier regelmäßigen die Granden des Kontinents auf Augenhöhe empfing, sind indes lange vorbei. Der Fall des „Eisernen Vorhangs“ Anfang der 90er Jahre sorgte dafür, dass seither jeder passable ukrainische Fußballer frühzeitig die Flucht in den Westen ergreift.

„Diese Mannschaft spielt den besten Fußball der Welt.“ Im Frühjahr 1975 waren sich die Fußballexperten weitgehend einig. Die Rede war allerdings nicht von Ajax Amsterdam oder Bayern München, die Mitte der 70er den Europapokal der Landesmeister abonniert hatten, sondern von Dynamo Kiew. Der sowjetische Meister sicherte sich im Baseler St.-Jakob-Stadion mit einem klaren 3:0 gegen Ferencváros Budapest den Pokalsieger-Wettbewerb und bestätigte die Meinung der Fachwelt nur wenige Monate später: In zwei Spielen um den europäischen Supercup ließ das Team von Trainer Valerij Lobanovskij dem FC Bayern beim 1:0 in München und dem 2:0 einen Monat später vor 105.000 Zuschauern in Kiew keine Chance.

Alle drei Treffer erzielte damals Oleg Blochin, genannt „Blocha“ (der Floh), der im Alter von zehn Jahren bei Dynamo mit dem Fußballspielen begonnen hatte. 13 Jahre später, 1975, holte er für seinen Klub den ersten Europapokal in die Sowjetunion und wurde zu Europas Fußballer des Jahres gewählt. Die Kombination Lobanovskij und Blochin bildete ein unbesiegbares Gespann. Zwölf Jahre beherrschte es die sowjetische Liga und hielt 1986 nach einem 3:0 gegen Atlético Madrid in Lyon erneut den Cup der Pokalsieger in der Hand. Diesmal sprach die Fachwelt vom „Fußball 2000“, und wieder wurde ein Dynamo-Spieler, Igor Belanov, zum besten Fußballer in Europa gewählt.

Lobanovskij und der "Roboterfußball"

Der im November 1927 als Ableger des dem Innenministerium unterstellten Moskauer Stammvereins gegründete Klub gehörte der 1936 eingeführten sowjetischen „Höchsten Liga“ ununterbrochen an. 1961 gewann Dynamo zum ersten Mal die nationale Meisterschaft und durchbrach die Vorherrschaft der Moskauer Vereine ZSKA, Dynamo und Spartak, die bis dato alle Titel auf sich verteilt hatten. Auf Linksaußen wirbelte damals ein langer, blonder, junger Mann: Valerij Lobanovskij.

Der gelernte Bauingenieur, der seine Trainer-Arbeit im Oktober 1973 aufnahm, hatte das bescheidene Ziel, seine Mannschaft zur besten der Welt zu machen. Dazu begann er mit der Entwicklung seiner „Fußball-Logarithmen“, einem wissenschaftlichen Trainingssystem, das die physische, technische und taktische Leistungsfähigkeit seiner Athleten erhöhen sollte. Aus diesem Grund arbeitete „Loba“ eng mit dem Kiewer Physik-Professor Anatolij Zelentsov zusammen. Der wortkarge Fußballlehrer avancierte zu einer Art Superstar der Trainergilde, sein „Roboterfußball“ – was durchaus anerkennend und nicht abwertend gemeint war – führte 1975 zum ersten internationalen Triumph einer sowjetischen Mannschaft. Dynamo Kiew holte in den 70er und 80er Jahren so viele nationale Titel, dass der Klub die „Ewige Tabelle“ der Sowjetunion anführt.

In den 80er Jahren zählte Kiew trotz eines in die Jahre gekommenen Blochin noch zu den Top-Klubs Europas und stellte mit Spielern wie Sergej Alejnikov, Aleksej Michajličenko, Vasilij Rac, Aleksandr Zavarov, Oleg Kuznecov und eben Blochin den Großteil der „Sbornaja“, der sowjetischen Nationalmannschaft, die im Übrigen Lobanovskij zusätzlich trainierte und zur WM 1986 führte.

Bestechungsskandal in den 90er Jahren

Mit der Auflösung der Sowjetunion und der Unabhängigkeit der Ukraine erlebte Dynamo einen Absturz. Die große Zeit des „Flohs“ war vorbei, auch wenn Kiew die ukrainische Meisterschaft zunächst noch nach Belieben dominierte. Den vorläufigen Tiefpunkt erreichten die Blau-Weißen vom Fluss Dnjepr 1995. In der lukrativen Champions League besiegten sie im ersten Gruppenspiel Panathinaikos Athen mit 1:0 – und schieden aus. Die Dynamo-Verantwortlichen hatten ihrem Team wohl nicht allzu viel zugetraut und versuchten, den spanischen Schiedsrichter Antonio López Nieto zu bestechen. Dieser wunderte sich: „Die hatten das gar nicht nötig, die waren doch stark genug.“ Resultat: Sofortige Disqualifikation und eine dreijährige Sperre, die anschließend auf ein Jahr reduziert wurde.

1996 kehrte Lobanovskij, der stets schlecht gelaunt wirkte und in der Zwischenzeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Kuwait sein Konto aufgebessert hatte (entsprechend hatte er auch an Körperfülle zugelegt), nach Kiew zurück. Und mit ihm der Erfolg. Mit den neuen Stars Sergej Rebrov und Andrej Ševčenko stürmte Dynamo 1999 ins Halbfinale der Champions League und scheiterte nur denkbar knapp am FC Bayern (3:3, 0:1). Und wieder verlor Dynamo ein Supertalent: Für knapp 40 Millionen Mark wechselte der pfeilschnelle Stürmer Ševčenko zur AC Mailand und auch Rebrov orientierte sich in Richtung Westen: Tottenham Hotspur, Premier League. Beide kehrten später noch einmal zu ihrem Heimatverein zurück, der 2009 sensationell ins Halbfinale des UEFA-Pokals vordrang – und ausgerechnet an Schachtar Donezk scheiterte. Die Ost-Ukrainer hatten dem Hauptstadt-Klub mittlerweile auch in der Liga den Rang abgelaufen.

Aktuell steht Dynamo immerhin im Achtelfinale der Europa League, ist aber gegen Chelsea FC krasser Außenseiter. Die großen Tage sind endgültig vorbei. Einen Typen wie Blochin, der als Weltstar seine gesamte Profikarriere in Kiew verbringt, wird es nicht mehr geben. Lobanovskij starb 2002 im Alter von nur 63 Jahren an einem Schlaganfall. Zu seiner Beerdigung kamen 200.000 Menschen. Das kleine Dynamo-Stadion, in dem der Klub aufgrund der gesunkenen Zuschauerresonanz mittlerweile die meisten Heimspiele austrägt, ist nach ihm benannt

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