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SPIELFELD
07.05.2018

Alexander Rosen: "Wir gehen nicht all-in"

Begonnen hat Alexander Rosen 2009 bei der TSG Hoffenheim als U23-Spieler. Im November 2010 übernahm er die sportliche Leitung des Nachwuchsleistungszentrums. Seit nunmehr fünf Jahren prägt der 39-Jährige die Bundesliga-Mannschaft in seiner Funktion als "Direktor Profifußball". Im Gespräch mit SPIELFELD zieht er ein Fazit und gibt interessante Einblicke in seine Tätigkeit.

Am 2. April 2013, also vor fünf Jahren, begannen Sie hier in Ihrem neuen Amt. Erinnern Sie sich noch an die Momente der Amtsübernahme?

Alexander Rosen: "Ich hatte großen Respekt vor der Aufgabe. Die sportliche Situation war anspruchsvoll, genau genommen, fast aussichtslos und bei den Verantwortlichen stand der Klassenerhalt auch gar nicht mehr im Fokus. Der Auftrag war unter anderem für die zweite Liga zu planen, um diesen Fall vorzubereiten und dann sofort den Aufbau starten zu können."

Sie waren damals 33 Jahre alt...

Rosen: "Natürlich spielte mein Alter eine Rolle. Ich war ja schon als Leiter der AKADEMIE einer der jüngsten, habe dort mit 31 Jahren angefangen. Wir waren innerhalb kurzer Zeit sehr erfolgreich und haben die Mannschaft aufgebaut, die 2014 mit dem Trainer Julian Nagelsmann Deutscher Meister der U19 wurde. Aber dann Sportdirektor bei den Profis? Als ich gefragt wurde 'Traust Du Dir das zu?' hätte ich, wenn ich ganz ehrlich bin, eigentlich 'Nein' oder zumindest 'Eher nicht' antworten müssen. Das schien mir zu groß, zu viel, zu unvorbereitet. Aber offensichtlich traute man es mir zu, allen voran Dietmar Hopp – für diesen Mut und eine derartige Möglichkeit in so jungen Jahren erhalten zu haben, bin ich sehr dankbar."

Und dann sagten Sie einfach zu?

Rosen: "Trotz aller Zweifel, ja. Ich hatte Menschen, die mir die Tür geöffnet haben. Durchgehen musste ich dann aber selbst. Das Gute war, ähnlich wie bei Julians Wechsel zu den Profis im Februar 2016: Ich hatte wenig Zeit zu überlegen. Es ging einfach los und es gab erst einmal nur noch Arbeit, Arbeit, Arbeit. Einfach machen. Und dann haben wir es ja auf spektakuläre Weise geschafft, in der Liga zu bleiben und sind anschließend gleich in die Spektakel-Saison gestartet mit am Ende 72:70 Toren."

Wie fällt nach fünf Jahren Ihr Fazit aus?

Rosen: "Lassen Sie es mich so sagen: Es lief sehr viel mehr richtig als falsch, vor allem wenn man reflektiert, woher wir kommen, welche Möglichkeiten wir haben, und wo wir jetzt stehen. Viele sprachen in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Hoffenheim immer über die tolle Anfangszeit, in der ganz sicher exzellente Arbeit geleistet wurde, mit den beiden Aufstiegen, mit der Herbstmeisterschaft. Aber wir haben in der vergangenen Saison das beste Jahr unserer Geschichte erlebt, erstmals im Europacup gespielt und wir haben in den vergangenen 27 Monaten seit Februar 2016 nach Bayern München und Borussia Dortmund die meisten Punkte in der Bundesliga geholt – das ist eine herausragende Leistung. Und dies alles, obwohl wir in diesen fünf Jahren so viele Nachwuchsspieler wie kein anderer Klub in die Profimannschaft integriert und die zweitbeste Transferbilanz erwirtschaftet haben. Nach Dortmund wohlgemerkt, die Dembelé und Aubameyang für Rekordablösesummen verkauft haben. Ansonsten hat kein Klub in Deutschland in dieser Zeit ein vergleichbares Plus gemacht – und trotzdem haben wir uns sportlich weiterentwickelt."

Wie hat sich Ihre Arbeit in den fünf Jahren verändert?

Rosen: "Es kommt immer mehr Geld in den Markt, die jungen Spieler sind anders sozialisiert und ausgebildet, das Scouting wurde durch die Fülle der zur Verfügung stehenden Daten angepasst, um einige Themen anzuschneiden. Aber an der Grundidee des Klubs hat sich nichts geändert. Es verändert sich auch nicht der Anspruch und die Vorgabe, hier langfristig Bundesliga-Fußball spielen zu wollen."

Wie sehr schmerzt es den Sportdirektor, wenn dazu gehört, immer wieder gute Spieler abzugeben?

Rosen: "Natürlich wollen herausragende Spieler irgendwann gerne einmal bei Top-Klubs wie dem FC Bayern München oder beim FC Liverpool spielen. Das ist normal, da brauchen wir nicht jammern. Das ist Teil unseres Weges und wir nehmen das Geld und investieren es wieder in unser System. Wir entwickeln uns weiter und wachsen durch unsere Arbeit Stück für Stück auf allen Geschäftsfeldern. Hier und da sind wir aufgrund der Infrastruktur, der Rahmenbedingungen limitiert, da können wir die Einnahmen nicht mal eben verdoppeln: Eine Airline bekommen wir vermutlich nur schwer als Partner, wenn der nächste große Flughafen eineinhalb Autostunden entfernt ist. Das ist eben so."

Die Anspruchshaltung geben Sie dennoch nicht auf.

Rosen: "Auf gar keinen Fall. Wir versuchen, gesund zu wachsen. Die Lücke zu den Umsätzen und Lizenzspieleretats der Top-Klubs ist gewaltig, aber wir haben uns auf einem guten Mittelfeldniveau in der Liga stabilisiert. Das Fußball-Business bzw. das Transfergeschäft ist ja wie eine Nahrungskette. Auch da sind wir in den vergangenen zwei Jahren wieder ein bisschen weiter nach oben geklettert. Es gibt nicht mehr so viele Klubs, an die wir Spieler abgeben müssen, und wir können jetzt auch öfter lukrative Angebote ablehnen ohne dabei die finanziellen Zielvorgaben zu gefährden. Darauf können wir aufbauen und wir sind maximal motiviert, durch gute Arbeit eben besser abzuschneiden als wir es vom Etat her eigentlich realistisch planen könnten."

Sie wirkten zwischenzeitlich etwas genervt wegen der Kritik, dass die TSG doch nur ein Ausbildungsverein sei.

Rosen: "Nein. Ich wehre mich nur gegen unreflektierte Bewertungen. Diese Saison wurde uns ja schon vielfach als Problemjahr ausgelegt. Dabei sind wir seit Ewigkeiten die erste Mannschaft, die als Newcomer in Europa gespielt hat und jetzt tatsächlich schon wieder an den Europapokalplätzen dran ist. Alle anderen Klubs sind immer in der zweiten Tabellenhälfte gelandet oder kämpften sogar gegen den Abstieg. Wir wollen uns nicht kleiner machen als wir sind, aber wir bleiben realistisch. Man kann nicht den Anspruch haben, dass dieser Klub sich regelmäßig für den Europapokal qualifiziert, aber jeder Einzelne hier will das und gibt jeden Tag alles dafür. Damit kann ich mich identifizieren."

Müssen Sie viel Überzeugungsarbeit leisten bei den Spielern, die Sie zur TSG locken wollen?

Rosen: "Wir konnten schon immer etwas bieten und es ist uns schon immer gelungen, spannende Spieler zu uns zu lotsen. Wir haben ein hochmodernes Trainingszentrum, viele innovative Ideen, tolle Mitarbeiter und Experten, Ruhe - einfach tolle Bedingungen. Die TSG hat den Ruf, Talente zu finden, zu entwickeln und hin und wieder für entsprechende Transferentschädigungen weiterzugeben. Das war schon früher so. Aktuell kommen zwei weitere positive Faktoren dazu: Ein außergewöhnlicher Trainer mit seinem Team und diese zwei erfolgreichen Jahre, an denen die Spieler erkennen, dass sie auch bei uns international spielen können. Mit unserer Mannschaft, mit der Struktur hier ist es möglich, das auch in dieser Saison zu schaffen. Wir haben jetzt auch mehr Potenzial bei Ablösesummen und Gehältern, aber wir können nicht alles und wir wollen auch nicht alles. Wichtig ist, dass die Struktur in der Mannschaft stimmt. Darin liegt auch die Kunst einer strategischen Dimension in der Kaderplanung. Wir bauen auf nachhaltiges Wachstum und gehen nicht all-in."

Zur einer perfekten Kaderplanung gehört sicherlich, dass kein Spieler den Verein ablösefrei verlassen sollte. Das bedeutet, dass man rechtzeitig Verträge verlängert. Das ist Ihnen in der Vergangenheit zumeist gelungen. War das bei Mark Uth, der im Sommer ablösefrei zu Schalke geht, nicht möglich?

Rosen: "Wir haben bereits im Herbst 2016 versucht, den Vertrag mit Mark über diesen Sommer hinaus zu verlängern. Aber er wollte nicht, vielleicht weil er schon ein sehr gutes Angebot vorliegen hatte. Irgendwann sind unsere Grenzen erreicht. Wir haben dann in einem Meeting gemeinsam die Entscheidung getroffen, ihn trotz eines sehr guten Transferangebotes nicht gehen zu lassen. Die Chance, dass er ein Jahr für uns noch wichtige Tore schießt, war uns wichtiger als das Risiko einer wegfallenden Ablösesumme. Der Plan ist also aufgegangen und genau das meinte ich mit der angesprochenen Stärke auch einmal 'Nein' sagen zu können."

Können Sie für die Saison 2018/19 wieder gute Verpflichtungen versprechen?

Rosen: "Ich sehe uns gut aufgestellt. Wir haben Optionen. Aktuell ist einiges in der Pipeline, viele Ideen sind in der Vorbereitung. Aber Kaderplanung ist mehr als nur Spieler zu transferieren. Es macht keinen Sinn zu kaufen, wenn man nicht kaufen muss. Es wird in einer Kaderplanung oft der interne Transfermarkt unterschätzt, es geht auch um Vertragsverlängerungen. Man prüft ständig, wie sieht die aktuelle Spielergruppe aus, was ist im eigenen Kader noch nicht sichtbar, was kommt aus dem Nachwuchs und was muss extern dazu kommen."

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Wie sieht Ihre Planung aus? Bleiben Sie noch weitere fünf Jahre bei der TSG?

Rosen: "Das ist schwer zu sagen und in diesem Geschäft nicht vorhersehbar. Ich gehe hier im Verein ja schon in mein zehntes Jahr. Die TSG ist für mich deshalb auch kein gewöhnlicher Arbeitgeber mehr. Ich hatte in der Vergangenheit sehr konkrete Anfragen, aber ich habe immer abgelehnt. Ich fühle mich nach wie vor wohl und es müsste einiges passieren, dass ich mit meiner Familie die Zelte hier abbreche. Ich weiß, was ich bei und an der TSG habe. Mit dieser Mannschaft, diesem Trainer und diesen Kollegen zu arbeiten, macht mir wahnsinnig viel Spaß. Ich bin dankbar und empfinde es als absolutes Privileg."

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