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MÄNNER
23.08.2018

Nagelsmann: "Weiß, was ich dem Team zu verdanken habe"

Julian Nagelsmann (31) ist der bisher erfolgreichste Cheftrainer in der Geschichte der TSG Hoffenheim. Im SPIELFELD-Interview spricht er über seine Erwartungen an die Saison, über potentielle Nationalspieler und neue Talente der TSG – aber auch über seine Rolle in der Öffentlichkeit und den Traumberuf Trainer.

Julian, gleich ganz konkret gefragt: Wie ist Deine ganz persönliche Erwartungshaltung für die neue Saison?

"Es ist nicht ganz einfach, das einzuordnen, wenn man so erfolgreich war wie wir in den vergangenen beiden Jahren. Wir alle im Klub sind ambitioniert und haben viel vor. Das bestätigen auch die Eindrücke der Vorbereitung und die Attitüde der Jungs. Wer mich kennt, der weiß, dass ich immer höhere Ziele anstrebe. Aber viel höher als vergangene Saison geht es in der Liga nicht. Wir werden also alles versuchen, damit es wieder so erfolgreich wird."

Wie geht Ihr mit der Herausforderung von Bundesliga, DFB-Pokal und der Champions League um? War die vergangene Saison in der Europa League da womöglich lehrreich?

"Hilfreich war es auf jeden Fall. Es lag vergangenes Jahr aber auch nicht an der dreifachen Herausforderung, dass wir in der Europa League nicht erfolgreich waren, sondern an den extrem vielen vergebenen Torchancen. In der Vorbereitung haben wir die Jungs abwechselnd dienstags oder mittwochs ordentlich herausgefordert, um damit die Belastung in der Champions League zu simulieren. Und wir planen, in dieser Saison nicht mehr so viel zu wechseln, sondern wollen versuchen, die ersten 16 Spieler durch alle drei Wettbewerbe durchzukriegen. Obwohl wir schon einen ausgewogenen Kader haben, besitzen wir eben nicht 25 gleichwertige Spieler. Im vergangenen Jahr haben wir zu viel gewechselt und vielleicht zu viel Angst vor der Belastung gehabt."

"Wenn der eine besser ist als der andere, wird er auch spielen"

Weniger Rotation bedeutet auch, dass mehr Spieler nicht zum Einsatz kommen. Musst Du da härter sein als Trainer?

"Bei einem größeren Kader muss man natürlich viele Entscheidungen treffen. Da wird es schon eine Auswahl geben müssen, aber das wissen die Spieler auch. Ich habe damit kein Problem, denn die Spieler wissen, dass die Entscheidung für einen Spieler nicht heißt, dass ich für denjenigen mehr Sympathien hege als für einen anderen. Ich entscheide das im Sinne der Gruppe nach Leistung. Wenn der eine besser ist als der andere, wird er auch spielen."

Viele Spieler sagen, die Champions League sei fußballerisch das höchste der Gefühle. Was bedeutet sie für Dich?

"Es ist natürlich der bedeutendste Klubwettbewerb. Man kann nichts Größeres erreichen, vor allem als so kleiner Verein wie Hoffenheim. Mal sehen, wen wir zugelost bekommen, wir sind in Topf vier ja ein recht kleines Licht. Es können ordentliche Bretter als Gegner kommen. Das wäre eine tolle Sache. Ich könnte mir vorstellen, dass es lustig wird, wenn Hoffenheim ausgelost wird und sich alle fragen, wer das ist und wo die spielen. Da freuen wir uns drauf."

Wird sich das Spiel in dieser Saison etwas verändern? Muss es nach den Abgängen von Serge Gnabry und Mark Uth mehr Torgefahr aus der zweiten Reihe geben?

"Wir werden nicht großartig anders spielen. Wir haben etwa in Vincenzo Grifo und Leonardo Bittencourt torgefährliche Mittelfeldspieler dazu geholt. Wir haben vergangenes Jahr auf anderen Positionen auch viel Torgefahr gehabt, aber nicht so viele Tore gemacht. In der Vorbereitung haben wir es gut hinbekommen, dass alle torgefährlich werden. Wir müssen mit dem Problem fertig werden, dass viele Mannschaften gegen uns sehr tief stehen. Dafür braucht es dann Torgefahr aus der zweiten Reihe. Das ist ein Projekt für uns."

Unter Deiner Regie haben sich einige Spieler weiterentwickelt und auch die Marktwerte wurden deutlich gesteigert, von denen der Klub immer wieder stark profitiert. Sind das Dinge, über die Du Dir auch manchmal Gedanken machst?

"Darüber spreche ich oft mit Alex (Sportdirektor Alexander Rosen; d. Red.). Dass die Spieler besser werden, ist meine Aufgabe, aber um Marktwerte zu generieren, muss man erstmal Spieler finden, die Potential haben. Das machen wir gemeinsam. Ich glaube, dass wir in den vergangenen Jahren mit unserer Kaderzusammenstellung gut gefahren sind. Alex macht es sehr gut, die Spieler zu einem guten Preis zu verpflichten. Da werden hohe Marktwerte generiert, die sehr wertvoll für den Klub sind. Viele sprechen ja immer von den 15 Millionen Euro, die wir durch die Champions League einnehmen, dabei könnten wir in jeder Transferperiode Spieler für 80 bis 90 Millionen Euro verkaufen. Kevin Vogt kam, gemessen an heutigen Verhältnissen, für einen geringen Preis und wir könnten ihn jetzt für das Zehn- bis Zwölffache verkaufen. Das ist schon außergewöhnlich. Benjamin Hübner oder Andrej Kramaric sind weitere Beispiele."

Dennis Geiger ist so einer, der gut aufgebaut wurde und dann im vergangenen Jahr durchgestartet ist. Glaubst Du, dass es in diesem Jahr wieder einen Spieler geben könnte, der einen ähnlich großen Sprung schafft?

"David Otto, der vergangenes Jahr schon bei uns trainiert hat, ist fünf, sechs Klassen besser geworden. Er musste in der vorigen Saison sein Abitur machen, spielte in der U19, hat bei den Profis mittrainiert. David war körperlich einfach am Ende, er war auch in den Halbfinalspielen
um die Deutschen Meisterschaft gegen Schalke nicht gut. Nun ist er körperlich so frisch, dass ich mir relativ sicher bin, dass er seinen nächsten Schritt in der Liga gehen wird. Dazu haben wir ja weitere junge Spieler wie Robin Hack oder Justin Hoogma. Aber ob einer so durchstartet wie Dennis, das kann niemand sicher vorhersagen. Bei Dennis war es ja so: Er war schon in der Jugend immer der beste Spieler, den man als Trainer nur richtig anpacken muss. Das allerdings war bei ihm nicht immer ganz einfach."

"Nico Schulz ist ein Kandidat für die DFB-Elf"

Wer könnte denn der nächste Nationalspieler der TSG werden?

(lächelt) "Gute Frage. Kevin Vogt kann sicherlich auf der Position wie bei uns in der Nationalmannschaft spielen. Nico Schulz ist für mich ein absoluter Kandidat für die DFB-Elf. Es wäre sicherlich nicht verkehrt gewesen, wenn er schon bei der WM dabei gewesen wäre."

Der Star ist die Mannschaft. Den Spruch hat Berti Vogts als Bundestrainer vor dem EM-Titelgewinn 1996 geprägt. In Hoffenheim hatte man zwischenzeitlich den Eindruck, der Star sei Julian Nagelsmann. Hältst Du das für problematisch?

"In den vergangenen Jahren wurde unser sportliches Abschneiden einfach massiv personalisiert. Eineinhalb Jahre lang wurden aus den Erfolgen des Klubs, des gesamten Teams in der Öffentlichkeit immer die Erfolge von Julian Nagelsmann. In der abgelaufenen Saison wurde, was letztlich positiv für die Mannschaft war, in der Krise aber auch alles Negative auf meine Person projiziert. Wenn man alles auf eine Waage legt, dann war es am Ende wohl ausgeglichen. Das, was ich dort zu viel an negativen Urteilen abbekam, hatte ich vorher zu viel an Lorbeeren bekommen. Diese einseitige Berichterstattung ist aber grundsätzlich nicht schön, weil ich weiß, was ich der Mannschaft zu verdanken habe."

Thematisiert Du so etwas gegenüber Deinem Team? 

"Ich weiß schon, was mein Trainerteam und ich draufhaben. Aber es stimmt, die Mannschaft kommt immer wieder mal beim öffentlichen Lob zu kurz. Sie versucht seit zwei Jahren, einen anspruchsvollen Trainer zufrieden zu stellen, sie gibt in jedem Training Gas, lässt sich nie  hängen, bringt immer unglaubliche Qualität und Power auf den Trainingsplatz. Die Mannschaft könnte auch sagen ‘Das ist uns alles zu anstrengend, was der immer will mit seinen 1000 Regeln, der soll sein eigenes Ding machen.‘ Aber sie zieht gnadenlos mit. Ich thematisiere es auch oft vor der Mannschaft, dass sie in den Medien zu kurz kommt und das nicht gerechtfertigt ist. Aber die Spieler können das alles auch richtig einschätzen. Da ist ja auch kein brutaler Profilneurotiker dabei, der das gar nicht verstehen kann. Ich mache das nicht allein, da steckt ein
ganzer Klub dahinter, jeder hat seinen Anteil am Erfolg und auch daran, wenn es weniger gut läuft."

"Ich muss die Haltung als Trainer vorleben"

Man sieht es immer beim Training, dass Du unheimlich viel Spaß hast am Fußball. Du spielst auch immer wieder mal gern mit. Kribbelt es noch? 

"Ja, ich habe schon gesagt, irgendwann wechsele ich mich mal ein. (lacht) Es liegt vielleicht einfach an meinem Alter. Ich finde aber auch, wenn man Lebensfreude und eine gute Einstellung zu unserem Sport vermitteln will und immer wieder erwartet, dass die Jungs an ihren Grenzen gehen, dann muss man auch selber Freude haben an diesem Sport. Wenn ich vor und nach dem Training mit den Jungs ein bisschen rumbolze, dann sollen die Spieler merken, dass mir dieser Sport unglaublich Spaß macht. Wenn ich von denen verlange ‘Strahlt Freude
aus‘, ‘Bietet den Fans was, geht an eure Grenzen‘, dann muss ich diese Haltung als Trainer auch vorleben."

Ist Fußballtrainer Dein Traumberuf?

"Ja, ich wollte ja immer selbst Profi werden, das ist kein Geheimnis. Dann hätte ich auch alles von der anderen Seite erlebt. Aber wenn ich reflektiere, wie alles so gekommen ist, dann glaube ich, dass es keinen viel interessanteren Beruf als den des Trainers gibt. Ich fand es toll, selbst ein Spieler zu sein. Aber als Trainer ist das alles noch viel umfassender. Man muss jedes Training vor- und nachbereiten, man muss ständig Gespräche führen. Als Trainer wird man ständig beäugt. Als Spieler in einer großen Gruppe kannst du dich ja auch mal verstecken. Aber als Trainer wird jeder Schritt, jedes Wort, jede Körpersprache bewertet – von der Mannschaft und vielen anderen. Das ist schon sehr anspruchsvoller Job mit einem stetigen Rhythmus von einem oder bald zwei Spielen pro Woche. Trainer zu sein, ist ein sehr fordernder, aber auch
ein außergewöhnlicher Job, den ich nicht eintauschen will."

Stichworte Traum und Berufe: Träumst Du auch von Fußball? 

"Gelegentlich schon, nach Spielen aber auch mal extrem viel. Meine Frau sagt, dass ich nachts rumschreie. Ich weiß nicht alles, ich kann die Träume nicht komplett wiedergeben. Ich weiß aber, dass ich nicht von irgendwelchen Spielen träumen, sondern immer nur von unseren."

 

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