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SPIELFELD
10.10.2017

Demirbay: "Das Menschliche steht im Vordergrund"

Kerem Demirbay ist bei der TSG Hoffenheim Nationalspieler geworden und spielt zum ersten Mal im Europapokal. In SPIELFELD spricht der 24-Jährige über den Gewinn des Confed-Cups sowie über die WM 2018, seinen Werdegang und die für ihn besondere Bedeutung von Persönlichkeit, Respekt und Erziehung.

In der vergangenen Saison ist dir der Sprung aus der Zweiten Liga bis in die Nationalmannschaft gelungen. Hast du bei der TSG erkannt, was mit deinem Potenzial alles möglich ist?

Kerem Demirbay: Ich muss gestehen, dass ich auch in der Zweiten Liga nie daran gezweifelt habe, diesen Weg gehen zu können. So ist meine Persönlichkeit: Ich glaube immer an mich, zu 100 Prozent. Aber ich habe auch hart gearbeitet. Dass es dann so schnell geht – Hut ab vor mir selbst. (lacht) So kann es im Fußball nun mal gehen, aber man muss vorsichtig sein und seine Leistung immer bestätigen, man lernt ja auch immer dazu. Das ist das Mindeste, was man als Fußballer tun muss. Ansonsten geht es auch schnell wieder zurück. In der aktuellen Saison muss ich wieder abliefern, meine Leistungen bestätigen und wenn möglich verbessern. Das gilt für uns alle.

Hast du vor gut einem Jahr erwartet, mit der TSG so eine gute Rolle zu spielen?

Demirbay: Nach dem ersten Gespräch mit Julian Nagelsmann hatte ich so ein gutes Gefühl, dass ich nur hierhin wollte – und das mit allen Mitteln, obwohl ich auch andere Angebote hatte. Ich hatte einen überragenden Eindruck und habe das Vertrauen sofort gespürt. Ich kann mich auch noch an die erste Einheit erinnern, Sandro Wagner war auch neu, an so einen Typen musste ich mich auch erst einmal gewöhnen. Er hat nur geredet und gestikuliert. Da dachte ich erstmal: Das wird ja interessant hier. (lacht) Aber wir haben uns dann früh alle persönlich kennengelernt und ich habe mich schnell sehr wohl gefühlt. Obwohl ich das Vertrauen weiterhin gespürt habe, war ich die ersten drei Spiele auf der Bank. Da musste ich positiv denken und an meine Chance glauben, ansonsten hätte ich mich nicht durchsetzen können. Das galt auch für Kevin Vogt und Benjamin Hübner.

Wie die beiden Abwehrspieler hast auch du einen langfristigen Vertrag bei der TSG und willst in Hoffenheim erfolgreich bleiben. In dieser Saison spielst du in der Europa League und die WM 2018 in Russland steht an. Ist das die bislang wichtigste Spielzeit in deiner Karriere?

Demirbay: Es geht in dieser Spielzeit in vielerlei Hinsicht um extrem viel und ich bin sehr motiviert. Die Weltmeisterschaft ist natürlich ein großes Ziel, und ich kann beeinflussen, ob ich dabei sein werde oder nicht – und zwar mit konstant guten Leistungen im Verein in allen Wettbewerben. Das gilt für jeden Nationalspieler und jeder, der die Chance hat, wird alles aus sich herausholen, um sich den Traum von der WM zu erfüllen. Mich hierhin zu setzen und zu sagen: ‚Ich schaue mal, wie es läuft‘ ist nicht mein Ding. Nein, ich will da unbedingt mitspielen und werde alles dafür tun, mit Hoffenheim erfolgreich zu sein. Wenn uns das gelingt, werden wir alle besser und auch persönlich noch mehr erreichen.

Haben dich die Erfahrungen bei der Nationalmannschaft noch einmal reifer werden lassen?

Demirbay: Natürlich, dieses Umfeld macht dich reifer und auf einer bestimmten Ebene auch selbstbewusster. Ich bin von Natur aus selbstbewusst und man merkt ja auch schnell, dass ich kein schüchterner Typ bin. Aber man erlebt dort prägende Momente, die dich als Fußballer formen. Wenn man dann solche Triumphe feiert, pusht das einfach ungemein, fußballerisch und mental.

Deine Highlights waren dein Tor gegen Mexiko und natürlich der Titelgewinn. Was hast du noch erlebt?

Demirbay: Wir waren eine wilde Truppe mit vielen jungen Spielern und haben uns auf Anhieb gut verstanden. In den ersten Einheiten habe ich gemerkt: Okay, hier gibt es noch viele andere, die auch Qualität haben. Und die werden hier alle auf einen Haufen geschmissen – und der Ball läuft sofort. Wir haben hier in Hoffenheim auch eine Riesenqualität. Aber im Kreis dieser Auserwählten habe ich schnell festgestellt: Das sind die besten Spieler, mit denen ich je zusammengespielt habe. Und es ist natürlich ein super Gefühl, dazuzugehören und mithalten zu können. Ich fühle mich wohl auf dem Niveau. Ich weiß, was ich kann, ich weiß aber auch, wie gut meine Konkurrenten sind. Das hilft mir und dem Klub, denn die TSG ist mein Arbeitgeber, hier muss ich Leistung bringen, um mir so den Bonus Nationalmannschaft verdienen zu können.

Merkst du, dass sich auch die öffentliche Wahrnehmung von dir im vergangenen Jahr verändert hat?

Demirbay: Mir ist es wichtig, dass Leute nicht über mich denken: Das ist ein super Fußballer, der hat es echt weit gebracht. Mir ist es wichtig, dass die Menschen sagen: Das ist ein sympathischer Typ, mit dem kann man sich unterhalten. Ein liebevoller, respektvoller Mensch – das bedeutet mir etwas. Daran wird sich nichts ändern, auch wenn ich nun ein gewisses Level erreicht habe. Aber ein Mensch bleibt ein Mensch, egal was er besitzt. Wir alle haben unseren Ursprung und unsere Familien und egal, was wir beruflich machen, steht das Menschliche immer im Vordergrund. Das möchte ich auch jedem vermitteln. Ich merke schon, dass sich die Wahrnehmung und das Bild meiner Person in der Öffentlichkeit verändert haben – aber ich habe mich nicht verändert und werde mich auch nie ändern. Ich bin halt ein Junge von der Straße, ganz einfach. Ich habe meine Freunde von früher und bin stolz darauf.

Woher kommt diese Einstellung, die im Profi-Geschäft ja nicht alltäglich ist?

Demirbay: Ich denke, in erster Linie von meiner Familie und von meinem Umfeld. Ich wurde sehr gut erzogen, dafür muss ich meinen Eltern ausdrücklich danken. Ich weiß wie man Danke, Hallo und Tschüss sagt. Das sind kleine, aber sehr wichtige Dinge, die viel über die Persönlichkeit aussagen. Mein Opa hat mir zudem auf Türkisch immer gesagt: ‚Kerem, ich bin stolz auf dich. Aber egal was du erreichst und wie viel Geld du verdienst, diese Dinge machen dich nicht zu einem Mann, vergiss das nicht.‘ Und danach lebe ich. Für mich ist es wichtiger, ein guter Mensch zu sein als Karriere zu machen. Im Endeffekt entscheidest du dann selbst über deine Persönlichkeit. Vielleicht bin ich durch die Sachen, die ich bislang erlebt habe, auch sensibilisiert. Ich will niemandem etwas Schlechtes und würde auch nie einen Spieler im Training verletzen, damit ich einen Vorteil habe. Das wird es nie geben, so bin ich nicht. Ich denke, ich bekomme eine gute Mischung zwischen Persönlichkeit und Fußball-Karriere hin, habe ein ruhiges Umfeld und konnte mich auch deshalb sportlich so entwickeln. Mir geht es sehr gut, ich fühle mich sehr wohl hier und verspüre eine große innere Ruhe.

Du bist nicht bei Social Media aktiv und trägst Deinen Lifestyle nicht nach außen. Es gibt auch viele Gegenbeispiele in der Sportwelt wie Neymar oder der Boxer Floyd Mayweather. Ist es für Sportstars schwierig, den Boden unter den Füßen zu behalten?

Demirbay: Ich glaube, jeder Mensch ist für sich selbst verantwortlich. Aber diese Jungs sind mit der Selbstvermarktung bei Social Media auch berühmt geworden, das ist ihr persönlicher Weg, den sie beibehalten. Entweder lieben das die Menschen oder nicht – aber diese Leute bleiben ihrer Persönlichkeit treu. Und dann finde ich das auch auf diesem Weg gut. Jeder soll so bleiben, wie er ist. Aber ich persönlich muss nicht mit meinem Sportwagen protzen und dauernd Fotos davon veröffentlichen. Ich muss den Leuten nicht zeigen, was ich habe. Jeder weiß doch, was in der Bundesliga verdient wird. Aber ich würde nie damit prahlen, weil ich ja bei anderen Menschen keine negativen Gefühle auslösen möchte, wenn sie keinen Sportwagen besitzen, aber davon träumen. Das bringt mir nichts. Am Ende des Tages sind das nur Gegenstände. Und keine Menschen, die für dich da sind, wenn es hart auf hart kommt. Gute Menschen um dich herum machen dich glücklich. Das sollte sich jeder merken.

Ist der Fußball neben der Familie der wichtigste Teil deines Lebens?

Demirbay: Ich richte mein Leben auf den Fußball aus und gebe 100 Prozent für meinen Job. Ich habe begriffen, was es heißt, auf Top-Niveau Profi zu sein.

Hast du das erst im vergangenen Jahr so wirklich verinnerlicht?

Demirbay: Ich habe es vorher schon auch begriffen, aber je höher du kommst, desto mehr musst du halt auch abliefern. Wenn ich wieder zur Nationalmannschaft will, kann ich nicht wochenlang durchhängen. Gute Leistungen werden von mir verlangt, ebenso, dass ich meinen Mitspielern immer wieder helfe.

In der Europa League trittst du mit der TSG nun in der Heimat deiner Eltern, der Türkei an. Was kann man von dem Istanbuler Klub Mediopol Basaksehir erwarten?

Demirbay: Sehr viel, wie von den anderen Gegnern auch. Es gibt hier wirklich keine schwachen Teams mehr, das muss jedem klar sein. Alle können verteidigen und Fußball spielen, das sind extrem anspruchsvolle Aufgaben. Ich verfolge die türkische Liga und habe ein paar Spiele von Basaksehir gesehen – richtig gut kicken können sie, das steht fest. Ich freue mich persönlich sehr auf diese Spiele gegen erfahrene Spieler wie Clichy, Adebayor und den türkischen Fußballhelden Emre. Das ist eine absolute Legende in der Türkei und eine große Respektsperson für mich. Als Kind habe ich zu ihm aufgeschaut und ich werde ihn definitiv nach seinem Trikot fragen. Und ich glaube auch, dass er mit mir tauschen will (lacht).

Zum Spielerprofil von Kerem Demirbay >>

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