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SPIELFELD
08.11.2017

Nico Schulz - Italienischer Berliner im Kraichgau

Nico Schulz ist ein Kind der Hauptstadt – und Sohn einer Deutschen und eines Italieners. Zu Hause ist der 24-Jährige mittlerweile aber in Heidelberg und auf der linken Außenbahn der TSG Hoffenheim. Im Kraichgau will er sich wieder ins Rampenlicht der Bundesliga spielen. Dafür nimmt er auch gerne etwas Sehnsucht nach Berlin in Kauf.

"Ich will nicht nach Berlin“ heißt ein Hit der deutschen Band Kraftklub. Nico Schulz sieht das anders. Der 24-Jährige ist in der Hauptstadt geboren und trägt die Heimat im Herzen: "Da geht nichts drüber, egal wo ich bin, ich werde Berlin aus der Ferne immer vermissen." Im Nordwesten der Stadt, in den Hinterhöfen Reinickendorfs, wuchs er auf und entdeckte schnell die Begeisterung für den Fußball. Gespielt wurde meist in der Einfahrt zur gutbürgerlichen Wohnung der Eltern: nachmittags treffen, Tore basteln, Anstoß auf Asphalt.

Doch nicht nur auf dem harten Untergrund lernte Schulz den Umgang mit dem Ball. In den Sommerferien zog es die Familie Jahr für Jahr auf die Insel Ischia – der italienischen Heimat seines Vaters. Die Eltern hatten nie geheiratet, Nico bekam den Nachnamen der Mutter. Eine Entscheidung, die nach seiner heutigen Meinung durchaus anders hätte ausfallen dürfen. "Die Familie meines Vaters heißt D’Abundo. Das klingt schon etwas interessanter als Schulz. Mein Bruder, der in der U19 von Union Berlin spielt, heißt immerhin Gian Luca Schulz. Das klingt nicht ganz so gewöhnlich", sagt er und lacht verschmitzt.

Pizza- und Pasta-Fanatiker

Doch den Fußballer Nico D’Abundo gab es nur in den Sommerferien auf der italienischen Urlaubsinsel: nachmittags treffen, Tore basteln, Anstoß auf Sand. Die Lieblingsbeschäftigung musste auch in der zweiten Heimat ausgelebt werden. Und die Füße waren doppelt gefordert: Da er "leider kein Italienisch" spricht, erfolgte die Verständigung mit Händen und Füßen. Schulz genoss die Zeit in Italien – und die fröhliche Lebensart, die er bis heute verinnerlicht hat. Laut und herzlich ging es zu – es sei denn, jemand verärgerte die Nonna. "Mich beeindruckt es noch heute, dass Oma die absolute Chefin ist. Sie kocht den ganzen Tag und schreit die Leute an, wenn ihr etwas nicht passt. Sie ist das Familienoberhaupt, aber natürlich eine ganz liebe alte Frau."

Außer jemand lässt Essen auf dem Teller zurück. Doch in diesem Punkt drohte Schulz nie Ärger. Pasta als Vorspeise, danach mindestens zwei weitere Gerichte – kein Problem für den Italo-Berliner, der "leider gute Gene" hat, wie er zugibt: "Ich könnte jeden Tag Fast Food essen, man würde es meinem Körper nicht ansehen. Aber mittlerweile ernähre ich mich sehr gesund, meine Partnerin achtet für uns und unsere beiden Kinder auch sehr auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung." Omas Kochkünste genoss er damals aber noch in vollen Zügen und sie setzten Maßstäbe: "Ich liebe Pasta und habe da auch immer noch sehr hohe Ansprüche. Es ist für mich schwierig, in Deutschland ein Restaurant mit wirklich guter Pasta oder Pizza zu finden. Bei Espresso bin ich entspannt, aber beim italienischen Essen sind die Ansprüche hoch."

Vorbild Salihovic

Die duale Ausbildung auf Asphalt und Sand sowie die extrem hohe Versorgung mit Kohlenhydraten sorgten schnell für Erfolg. Das Talent des energiegeladenen Nico Schulz fiel auf, für den Wechsel vom BSC Rehberge zu Hertha BSC bedurfte es im Alter von sieben Jahren aber der Unterstützung eines Freundes. Ein kurioser, heute kaum noch vorstellbarer Weg zu einem Bundesligisten. "Mein Kumpel spielte bei mir im Team und ging zur Hertha. Der Verein scoutete damals noch nicht in dieser Altersklasse und alles war nicht so entwickelt wie heutzutage. Also sagte der Trainer zu ihm: Kennst Du nicht noch ein paar gute und nette Jungs? Mein Freund rief mich an und kurze Zeit später stand ich im Hertha-Trikot auf dem Aschenplatz."

Als linker Verteidiger raste Schulz die Außenlinie fortan ähnlich rasant herauf wie die Karriereleiter. Schnell wandelte er auf den Spuren der Berliner Fußball-Ikonen Jerome und Kevin-Prince Boateng, Patrick Ebert oder Sejad Salihovic – Helden der Berliner Nachwuchsfußballer und "damals definitiv Vorbilder": "Sie waren wie wir normale Berliner Jungs, die es nach oben schafften. Das spornte uns an. Dazu polarisierten sie, jeder kannte und sprach über sie. Sie waren damals einfach cool für uns Jüngere."

Gute Zeiten bei der Hertha

Auch Schulz ging seinen Weg und führte die Liste der erfolgreichen Berliner Nachwuchsspieler fort. Mit 15 debütierte er beim DFB und bekam ein Angebot des FC Liverpool. Ein Jahr später versprach ihm der damalige Hertha-Trainer Lucien Favre den Sprung in den Profi-Kader im darauffolgenden Jahr. Mit 17, gerade aus der B-Jugend gekommen, gehörte Schulz dann wirklich zum Profi-Team – obwohl in der Zwischenzeit Markus Babbel das Traineramt übernommen hatte. Schulz betrat mit der Profi-Kabine eine faszinierende Welt. Spieler wie Raffael, Ronny, Lasogga und Ramos waren schillernde Persönlichkeiten.

Und Schulz avancierte schnell zum beliebten Teammitglied. "Ich war das Küken mit meinen 17 Jahren, wurde aber regelmäßig eingewechselt und war immer mit dabei. Ich habe mich auch privat sehr gut mit Raffael und Adrian Ramos verstanden, insgesamt herrschte eine super Atmosphäre. Da wir fast jedes Spiel gewonnen haben, gab es viele Mannschaftsabende und wir waren oft unterwegs. Das war eine witzige Zeit für mich."

Doch 2015, ein Jahr vor seinem Vertragsende, hieß es für den damaligen U21-Nationalspieler in Berlin "verlängern oder wechseln". Schulz zog es zum einstigen Förderer Favre nach Mönchengladbach. Statt neuer Höhenflüge folgten: Kreuzbandriss, Reha, Neustart – die Zeit bei der Borussia stand unter keinem guten Stern.

"Ein sehr schönes Dorf"

Bei der TSG will sich der am 1. April 1993 geborene Schulz wieder ins Rampenlicht der Bundesliga kämpfen. Mit der bisherigen Saison ist Schulz "zufrieden", wobei das nicht für seine Leistungen gilt: "Da darf man nie zufrieden sein. Ich kann sicher noch mehr und will das auch zeigen." Im knapp 500 Kilometer von Berlin entfernten Heidelberg hat sich der Großstädter bereits eingelebt. Seine Freundin Maria ist mit den beiden Kindern (1 und 3 Jahre) Anfang Oktober endlich in die neue Wohnung gefolgt – die direkt neben Ádám Szalais Zuhause liegt.

Zusammen mit der Familie fällt ihm das Leben im beschaulichen Kraichgau deutlich leichter als allein, wie der Berlin-Liebhaber lachend erklärt: "Mit den Kindern kann man hier natürlich schön spazieren oder auf die vielen Spielplätze gehen. Aber manchmal vermisse ich schon die große Auswahl an Restaurants oder die vielen Menschen und das pulsierende Leben auf der Straße. Für mich ist Heidelberg nun mal vergleichsweise ein Dorf – aber ein sehr schönes."

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