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SPIELFELD
28.08.2017

Hansi Flick: "Wer stehen bleibt, hat verloren"

Hansi Flick ist seit dem 1. Juli als Geschäftsführer Sport bei der TSG. Der 52-Jährige bringt internationale Erfahrung aus gut einem Jahrzehnt beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) mit und möchte dazu beitragen, den Klub konstant weiterzuentwickeln. In SPIELFELD spricht der Bammentaler über seine ersten Eindrücke, Pläne und den Stellenwert der Akademie.

Herr Flick, Sie waren Sportdirektor beim Deutschen Fußball-Bund, eine absolute Top-Position im deutschen Fußball. Was hat Sie veranlasst, fast elf Jahre, nachdem Sie hier als Trainer aufgehört haben, zur TSG Hoffenheim zurückzukehren?

Hansi Flick: Ich gestalte gern. Ich bin keiner, der verwaltet und möchte in gewissen Dingen eine freie Hand haben. Und die Möglichkeit, etwas zu bewegen, sehe ich bei der TSG. Der DFB war ein toller Arbeitgeber, aber ich wollte wieder dichter dran sein, wieder richtig im Tagesgeschäft sein. Hoffenheim spielt jetzt international, der Klub ist gut aufgestellt. Das Ziel aber muss es sein, dass es in Zukunft so bleibt.

Und nun müssen Sie nicht mehr nach Frankfurt pendeln, sondern können jeden Tag weniger als zehn Kilometer die B45 das Elsenztal runterfahren und sind an Ihrem Arbeitsplatz.

Flick: Es ist natürlich eine schöne Sache, wenn man auf diesem Top-Niveau fast fußläufig einen Arbeitgeber findet, aber das war nicht ausschlaggebend. Es war keine Frage von Romantik oder Bequemlichkeit. Es war das Gesamtpaket der TSG, das einfach klasse ist. Ich habe ja nie den Kontakt zum Klub verloren, gerade auch zu Dietmar Hopp nicht, und ich habe mich immer informiert, was hier so passiert. Und vieles, das bestätigt sich in den ersten Wochen, läuft auch sehr gut. Es ist hier vieles mit Weitblick sehr, sehr gut gemacht worden. Und ich bin ohnehin keiner, der kommt und alles ohne Not auf links zieht. Ich werde meine Erfahrung und mein Wissen einbringen, um hier Dinge zu optimieren, damit wir auch weiterhin Erfolg haben. Erfolge entwickeln ist ein Prozess, der nie endet.

Werfen wir einen Blick auf die Mannschaft. Sie können aus Ihrem Bürofenster im Trainingszentrum in Zuzenhausen täglich das Training beobachten, Sie haben das Trainingslager in Oberösterreich miterlebt. In welcher Verfassung sehen Sie das Team?

Flick: Die Basis ist sehr gut. Der Kader ist mit sehr viel Weitblick zusammengestellt worden. Durch die langfristigen Verträge, die Alexander Rosen mit den Spielern abgeschlossen hat, haben wir als Verein die Zügel in der Hand. Das ist eminent wichtig in Zeiten, in denen sich der Transfermarkt so schnell und nicht unbedingt zum Positiven hin verändert. Und das Trainerteam macht ohnehin einen hervorragenden Job.

Wie sehen Sie als ehemaliger Trainer denn die Arbeit von Julian Nagelsmann?

Flick: Julian hat eine herausragend klare Philosophie für den Fußball. Er hat geschafft, dass es mit der Art und Weise, wie die TSG Fußball spielt, einen großen Schritt nach vorn gegangen ist. Den Spielern lässt er viele Freiheiten, gibt ihnen aber auch klare Regeln vor, die sie befolgen müssen. Julian liegt auch viel an guter Kommunikation mit den Spielern, er gibt ihnen Vertrauen. Er nimmt alle mit, hat eine gute Ansprache und es ist ganz klar: Das 'Warum' steht vor dem 'Wie'. Zu meiner Zeit als Spieler hieß es: 'Mach!'. Und es wurde gemacht. Damit kommt man heutzutage nicht mehr weit. Julian dagegen erklärt genau, wie er Fußball spielen möchte. Da kommt keiner auf den Platz und weiß nicht, was im Training passiert. Die Art und Weise, wie Julian Systematik in die Trainingsarbeit bringt, begeistert.

Und wie sehen Sie Ihre Rolle?

Flick: Ich mische mich nicht in die Tagesarbeit ein, aber ich stehe ihm immer als Ansprechpartner zur Verfügung. Wir stehen schon vom ersten Tag an im engen Austausch. Aus meiner eigenen Erfahrung als Trainer weiß ich, wie wichtig es ist, jemanden zu haben, der nicht so sehr im Tagesgeschäft steckt und Dinge wahrnimmt, die am Coach eher vorbeigehen.

Wie bewerten sie die Aufgaben, die die Mannschaft in der nun begonnenen Saison zu lösen hat?

Flick: Vergangene Saison war die TSG erfolgreich, entsprechend hoch ist jetzt das Anspruchsdenken, nicht nur im Verein, auch im Umfeld. Man muss dem möglichst gerecht werden und wissen, was auf einen zukommen kann. Die Dreifachbelastung mit Bundesliga, Europapokal und DFB-Pokal ist eine Herausforderung, die noch keiner im Verein kennt. Bisher hatte das Trainerteam die Möglichkeit, die Mannschaft immer wieder eine ganze Woche lang auf das nächste Spiel vorzubereiten. Jetzt kommen die Spiele im Drei-Tages-Rhythmus, darauf muss man sich neu einstellen. Auch dort kann ich meine Expertise und Erfahrungen sicher mit einbringen. Ganz klar: Wir freuen uns riesig auf diese Herausforderung. Das Team hat sich diese Aufgabe verdient – und es bedeutet, dass wir wachsen. Und genau das wollen wir ja auch.

Aber es geht Ihnen in Ihrer Funktion als Geschäftsführer Sport nicht nur um die Profi-Mannschaft.

Flick: Für mich war es enorm wichtig, dass ich hier auch Einfluss auf die Akademie nehmen kann. Dort im Leistungszentrum wird der grobe sportliche Rahmen gesetzt, was die Spielphilosophie betrifft. Mein Ziel ist es, alles dafür zu tun, dass bei der TSG Talente aus- und weitergebildet werden, egal ob Spieler oder Trainer. Jeder Einzelne bei der TSG sollte den Anspruch haben, sich weiterentwickeln zu wollen, auch ein Physiotherapeut. Für mich ist es wichtig, dass wir auch neue Wege gehen. Wie wir die dann gestalten, werden wir gemeinsam besprechen. Klar ist immer: Zeiten ändern sich. Wenn du immer nur in der Vergangenheit lebst, wirst du den neuen Generationen nicht gerecht. Entwicklung ist ein stetiger Prozess, du kannst jeden Tag dazulernen.

Wo sehen Sie denn die Stärken der TSG-Akademie?

Flick: Der Verein ist schon mit der Idee der gezielten Talentförderung entwickelt worden. Das wurde zur Grundlage des Bundesliga-Aufstiegs. Diesen Anspruch hatten wir übrigens schon, als ich hier Trainer war, also vor dem Jahr 2005. Für mich ist wichtig, dass ein Verein eine Philosophie, eine DNA hat. Es geht bei uns um Entwicklung. In vielen Klubs ist es leider so, dass die Spielerentwicklung nicht im Fokus steht, sondern das Ergebnis. Dadurch gibst du eher Spielern eine Chance, die aktuell vielleicht größer sind und dir Punkte garantieren, für die Zukunft des Vereins aber eventuell gar keine Rolle mehr spielen. Der, der eigentlich die Unterstützung braucht, der entwickelt werden will oder muss, der das meiste Potenzial hat, der bleibt auf der Strecke. Wir aber wollen nicht nur Fußballer, sondern Persönlichkeiten entwickeln.

Wie sehen Sie die TSG da aktuell aufgestellt?

Flick: Wir haben schon noch gewisse Vorteile gegenüber anderen Mitbewerbern. Ich habe in meiner DFB-Zeit mehr als 50 Akademien im In- und Ausland besucht, darunter waren die besten Klubs in Europa. Dort habe ich studiert, wie sie den Nachwuchs ausbilden. Ich habe also den Einblick in die TSG-Akademie und weiß zugleich, was woanders auf Top-Niveau passiert. Da sind sehr spannende Ideen und Ansätze dabei. Unter dem Strich steht: Die TSG Hoffenheim ist da hervorragend aufgestellt. Aber unser gutes Standing müssen wir für die Zukunft sichern. Viele große oder finanzkräftigere Klubs wie Bayern, Stuttgart und Leipzig investieren jetzt gewaltig in die Nachwuchsarbeit. Es wird deshalb für uns nicht einfacher, im Wettbewerb zu bestehen. Deshalb ist die Entwicklung so wichtig.

Wie sehen Sie die Zukunft der Mannschaft? Kann sie sich in der deutschen Spitze etablieren?

Flick: Die TSG Hoffenheim ist kein Verein, der den Anspruch hat, jedes Jahr Champions oder Europa League zu spielen. Wir hoffen alle, dass wir jetzt weiter erfolgreich sind. Das können wir aber nicht garantieren. Wenn man einmal einige Jahre nacheinander international spielt, wird das natürlich spürbar sein. Vielleicht ist es dann so, dass wir einen Spieler, den wir selbst ausgebildet haben, auch halten können. Im Moment leben wir davon, dass wir Spieler ausbilden und dann verkaufen.

Ihren Führungsstil als einer von drei Geschäftsführern der TSG, verantwortlich für den Sport, haben Sie angedeutet. Sie sind ein absoluter Teamplayer ...

Flick: Der bin ich, ja. Ich bin jemand, der vieles bespricht und auf die Leute zugeht. Ich will alle mitnehmen in diesem Prozess. Für mich zählen Menschen, und ich muss Spaß haben an dem, was ich mache, gerade auch am Arbeitsplatz. Ich habe auch in meiner Zeit als Sportdirektor beim DFB vor allem Wert auf ein gutes Team gelegt und es auch entsprechend zusammengestellt. Wir hatten Erfolg, hatten aber auch den notwendigen Spaß, den nötigen Respekt voreinander und vor allem das Streben, sich immer wieder weiterzuentwickeln. Ich wünsche mir, dass sich jeder einbringt – mit seinen Ideen und seinem Engagement. Dadurch ist auch gewährleistet, dass viele in die Prozesse integriert und besser motiviert sind. Ein Konzept zu haben ist immer einfacher als es auch tatsächlich zu leben.

Aber Hansi Flick ist nicht permanent auf Kuschelkurs, oder?

Flick: Am Ende des Tages ist klar, dass ich entscheiden muss. Eine gewisse Härte gehört dazu. Ich kann auch streng sein. Fragen Sie einige Nationalspieler. Aber es geht immer um die Sache. Wenn man nicht einer Meinung ist oder es einen Konflikt gibt, wird es nie persönlich. Aber grundsätzlich soll man sich nicht immer so wichtig nehmen. Entscheidend ist es, freundlich und offen miteinander umzugehen. Ich möchte die Kollegen, die Mitarbeiter, möglichst alle bei der TSG animieren, den Verein weiterzuentwickeln. Denn wenn du stehen bleibst, hast du schon verloren.

Was ist Ihr größter Ehrgeiz, den Sie mit Ihrer neuen Aufgabe verbinden?

Flick: Neben dem Grundsatz, dass es mir immer um Menschen geht, will ich natürlich auch Erfolg haben. Wenn die Profi-Mannschaft Erfolg hat, geht es der gesamten TSG gut. Dann lässt sich alles viel leichter erarbeiten. Der Klub bekommt leichter Spieler und gute Leute für andere Aufgaben. Dann will jeder zu uns kommen. Für mich geht es aber auch darum, einen Teil dazu beizutragen, dass wir genauso wahrgenommen werden, wie wir letztendlich sind. Es gibt so viele Dinge, die bei der TSG hervorragend gemacht werden. Es ist doch Wahnsinn, dass wir mehr als 20.000 Jugendliche erreichen mit den Veranstaltungen und Aktionen, die wir planen, gestalten und umsetzen. Fast tausend Trainer wurden über den Klub ausgebildet. Wir machen hier fast die Arbeit des DFB im regionalen Maßstab. Da dürfen wir ruhig selbstbewusst sein. Es ist das Schöne, dass die TSG wirklich ein besonderer Verein ist. Und es ist mein Ehrgeiz, dass wir diesen Weg selbstbewusst und erfolgreich weitergehen.

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