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SPIELFELD
02.04.2017

Jörg Albrecht - Lokalpatriot aus Leidenschaft

Seit 2012 ist Jörg Albrecht Oberbürgermeister der Stadt Sinsheim. Der 48-Jährige spürt in seiner täglichen Arbeit, wie wichtig die TSG Hoffenheim für die Stadt und die Region ist. Der gebürtige Sandhäuser verkörpert Bürgernähe, schätzt das Bodenständige – und träumt von einem Duell mit Real Madrid.

Er schnappt sich den Ball, jongliert, hält ihn hoch. Sechs- oder siebenmal. Und als das Leder verspringt, angelt sich Jörg Albrecht die Pille gleich noch mal. "Falsche Schuhe", sagt der 48-Jährige anschließend entschuldigend und blickt auf sein sauber poliertes Fußwerk. Die Krawatte hängt etwas schief. Egal. Albrecht freut sich. Ein Ball in der Nähe weckt in jedem das Kind.

Auch bei einem Oberbürgermeister. Erst recht bei diesem Oberbürgermeister. Denn Jörg Albrecht ist der erste Mann Sinsheims. Große Kreisstadt, 35.000 Einwohner, zwölf Stadtteile, von denen Hoffenheim inzwischen in halb Europa bekannt sein dürfte; Chef einer Verwaltung mit einem Haushalt von mehr als 110 Millionen Euro – und auch der Gemarkung, auf der die WIRSOL Rhein-Neckar-Arena steht.

"Berühmt" dank der Sportschau

Jörg Albrecht ist jetzt mittendrin. Erst recht in diesen Wochen, rund um das Spiel gegen den FC Bayern. Das Hinspiel am 5. November 2016 hat Albrecht schließlich, wenn nicht berühmt, so doch ein wenig bekannter gemacht. Die Aufnahmen, wie er als einzig erkennbarer Hoffenheim-Fan inmitten des Bayern-Blocks kurz vor Abpfiff aufspringt, die Fäuste ballt und jubelt, lief in der ARD-Sportschau – acht Millionen Menschen sahen zu, die Sequenz machte Karriere. "Das war ein totaler Hype", sagt Albrecht, lächelt und erinnert sich lebhaft zurück an diese Szene. "Als der Thomas Müller diese Riesenchance in der Nachspielzeit vergab, hab‘ ich meiner Tochter nur zugerufen: Annika, jetzt hole mir 'ne Punkt."

Und kurz nach der Ausstrahlung vibrierte bereits Albrechts Handy. Die SMS kam vom Bürgermeister aus Sandhausen: "Sag mal, bist du gerade in München? Dann bist du eben im Fernsehen gewesen." Jörg Albrecht amüsiert sich. "Ich habe gedacht, mein Handy spielt verrückt. Stadträte und Bevölkerung aus Sinsheim, alle haben sich gemeldet." Er hat es ja auch genossen. Dabei reist Albrecht seit 2008 mit seiner Frau Christiane und den Töchtern Ronja und Annika zu jedem Auswärtsspiel der TSG nach München. Der Zufall wollte es, dass er dabei oft im Mannschaftshotel des Klubs buchte. "Meine beiden Kinder sind dann immer die ganze Zeit im Fahrstuhl rauf und runter gefahren, bis mal ein Profi eingestiegen ist." Schließlich sind seine Töchter quasi seit Geburt TSG-Fans, sie wurden ja groß mit einem Bundesligisten vor der Haustür.

Von links außen auf die Karriereleiter

Für Jörg Albrecht dagegen war es ein weiter Weg bis in die Erste Liga. Der Fußball aber hat ihn stets begleitet. Nur von der TSG war damals noch nicht die Rede. Albrecht ist gebürtiger Sandhäuser – und auch, wenn er die Gemeinde schon 1992 verlassen hat, so geht er dort noch drei- bis viermal im Jahr "auf den Sportplatz", wie er es nennt. "Da war ich früher, hab‘ Cola getrunken und ‘ne Wurst gegessen. Das ist schon auch ein wenig wie Heimkehr." Dorthin, wo er als Bub selbst gekickt hat. In der Bezirksliga, Linksaußen übrigens. "Ja, ich weiß, was sie jetzt denken", sagt Albrecht und lacht wie so oft so herzlich und entspannt. "Das rechte Bein hatte ich nur zum Stehen." Ein Kreuzbandriss und eine kaputte Achillessehne beendeten seine Zeit als aktiver Kicker.

Es begann sein Aufstieg in der Verwaltung. Albrecht hat sich hochgearbeitet, sein Enthusiasmus und sein Ehrgeiz haben ihn begleitet. Nach Volksschule und Mittlerer Reife besuchte Albrecht das Berufskolleg Heidelberg, das er mit der Fachhochschulreife abschloss; anschließend absolvierte der umtriebige Sandhäuser ein Studium zum Diplom-Verwaltungswirt in Kehl. Nach seiner Zeit als Sachbearbeiter beim Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises wechselte er nach Rauenberg, wurde dort Kämmerer, im Jahr 2001 dann schließlich als parteiloser Kandidat zum Bürgermeister von Mauer gewählt. "Ich bin ein Kind der Region", sagt Albrecht aus gutem Grund. "Diese Bodenständigkeit ist mir wichtig. Ich will immer nah bei der Bevölkerung sein."

"Hoffe" - Wichtig für Sinsheim

Sein Erfolg gibt ihm Recht. Als er nach zehn Jahren in Mauer nach einer neuen Perspektive, einer größeren Aufgabe, einer echten Herausforderung suchte, war der Posten des Oberbürgermeisters in Sinsheim neu zu besetzen. Albrecht bewarb sich, als parteiloser Kandidat, unterstützt von der CDU – und siegte mit mehr als 77 Prozent der Stimmen. Er kann Menschen für sich gewinnen und begeistern. Seine joviale Art macht es dem Gegenüber leicht, keine Spur von Standesdünkel. "Ich lebe das Amt. Es ist keine Pflicht, sondern Berufung", sagt Albrecht. "Im Grunde mache ich das 24 Stunden. Nur so funktioniert es und so kann ich alle gleichermaßen bedienen." Egal, ob es der Weihnachtsmarkt in Weiler ist, das Kirchweihfest in Hilsbach – oder eben das Bundesligaspiel der TSG in der Arena.

Natürlich weiß Jörg Albrecht, wie wichtig der Klub inzwischen auch für Sinsheim geworden ist. Als Wirtschaftsfaktor und Werbeträger. "Den Wert für uns kann man gar nicht messen. Wir sind mit Abstand die kleinste Stadt, die in der Bundesliga dabei sein darf. Dieser Imagegewinn ist mit Geld gar nicht zu bezahlen. Wir haben natürlich mehr Tagesgäste und auch zusätzliche Steuereinnahmen – aber der Wert ist viel größer als das Monetäre." Er merkt es ja auch an Kleinigkeiten: dass die Leute ihn im Urlaub auf Hoffenheim ansprechen und nicht auf Heidelberg. "Und die Leute kennen nicht nur die Flugzeuge am Auto & Technikmuseum, sondern die Arena."

Die Identifikation wächst

Albrecht ist Lokalpatriot. Von Amts wegen, aber auch qua seiner Persönlichkeit. Und er stellt fest, dass sich nun auch die eigene Bevölkerung der TSG zunehmend verschreibt, ins Herz schließt und nicht nur den Verstand: "Die Menschen hier identifizieren sich eindeutig viel stärker mit der TSG als noch vor einigen Jahren, es ist eine wachsende Fangemeinde festzustellen. Bis Hoffenheim in der Bundesliga war, hatte ja jeder in unserer Region einen anderen Lieblingsverein. Jetzt wächst es – und die junge Generation, die in fünf, sechs Jahren in die Arena pilgert, kennt es ja gar nicht anders."

Er selbst war, wie alle in der Region, noch anders sozialisiert. Als Kind des SV Sandhausen ("Ich bin ja immer noch froh, dass es kein Duell der TSG mit Sandhauen gibt") – und dank Bulle Roth und Hansi Flick, die für den SVS aufliefen, auch mit einer großen Nähe zum FC Bayern. Doch mit den Jahren wurde die TSG dann seine zweite große Fußball-Liebe. Albrecht weiß, wem er das zuvorderst zuzuschreiben hat: "Wir sind Dietmar Hopp unendlich dankbar." Vor zwei Jahren ernannte die Stadt Sinsheim ihren berühmtesten Sohn zum Ehrenbürger: "Da habe ich in meiner Rede gesagt: 'Wenn jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, du kannst am Samstag mit dem Fahrrad und dem Blick auf die Burg Steinsberg zu einem Bundesligaspiel fahren, hätte man dich eingeliefert.' Manche reduzieren das Engagement von Dietmar Hopp ja auf den Fußball, aber für unsere Stadt und die ganze Region ist seine Arbeit im sozialen Bereich, für Kinder und Jugendliche absolut vorbildlich und eine tolle Geschichte."

"Das erste Mal – das kommt nie wieder"

Das Wirken der Dietmar Hopp Stiftung hilft schließlich auch Albrecht in seinem Bestreben, die Infrastruktur nachhaltig zu verbessern, öffentliche Gebäude zu modernisieren und im Bereich Bildung weiter voranzukommen. "Da liegt mein Fokus und da liegt auch die Verbindung zur TSG, die im Jugendbereich sehr viel macht", sagt Albrecht. "Ich will eine Stadt mit einem hohen Wohn- und Freizeitwert erreichen. Und da gehört der Fußball natürlich auch dazu." Er sieht die Fortschritte quasi täglich. Vor allem auch bei seinen Mountainbike-Touren – die sportliche Leidenschaft Albrechts, seit das kaputte Knie das ambitioniertere Kicken unmöglich gemacht hat. "Ich mache so 6.000 Kilometer im Jahr auf dem Rad, fahre zu 95 Prozent auf dem Stadtgebiet und verbinde so das Hobby mit dem Beruf", erzählt der Oberbürgermeister. "Wenn ich weiß, da haben wir irgendwo ein aktuelles Projekt, dann fahre ich da mit dem Fahrrad hin und schaue mir das an. Mittlerweile kennen mich dann auch die Leute, wenn ich kurz stehen bleibe und grüße."

Und manchmal kommt er auch gleich im Rad-Dress zu öffentlichen Veranstaltungen. Und auf dem Weg dorthin inspiziert er eine Baustelle, ob dort alles rechtens läuft. Mit dem Rad, das ahnt Albrecht, könnte in der kommenden Saison so manche Auswärtsfahrt etwas beschwerlich werden. Auch der erste Mann in Sinsheim hofft, wie wohl jeder TSG-Fan, auf die erstmalige Qualifikation für den Europacup. Mehr noch: "Mittlerweile bin ich mir relativ sicher, dass wir europäisch dabei sind", sagt Albrecht voller Überzeugung. Und natürlich hat auch Jörg Albrecht Träume. "Real Madrid", sagt Albrecht auf die Frage, ob er einen Wunschgegner hat. Der OB strahlt. "Ich war noch nie in Madrid. Das wäre unglaublich. Ronaldo in Sinsheim." Aber, keine Sorge, es darf auch ein paar Nummern kleiner sein. "Ich würde auch zum ersten Europa-League-Spiel nach Baku fliegen", sagt der Oberbürgermeister. "Das wäre genauso großartig. Denn das erste Mal – das kommt nie wieder."

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