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AKADEMIE
27.03.2020

Spielerwohnheim: Heimat auf dem Weg zum Traum

Seit fast zehn Jahren bringt die TSG-Akademie einige ihrer Talente im eigenen Spielerwohnheim in Hoffenheim unter. Sozialpädagoge Rüdiger Becker war von Anfang an dabei, hat also die gesamte Entwicklung mitbekommen und kennt jeden einzelnen der bislang 83 Bewohner. Einer der Fünf, die als Erste einzogen, ist gleichzeitig der bekannteste.

Alles begann mit einer Schaumparty. August 2010, die ersten fünf Bewohner des neuen Spielerwohnheims im Leistungszentrum neben der Hoffenheimer Tankstelle waren gerade erst eingezogen und sollten ihre erste Nacht unter dem Dach der TSG verbringen: Da hatten sie eine Idee. Im Entmüdungsbecken des Physiotherapiebereichs ließen sie sich mit ihrem Duschgel ein kleines Schaumbad ein. Als die fünf Jungs merkten, wie gut das klappte, war aus dem Schaumbad im Nu eine Schaumparty geworden – der gesamte Physiobereich war voller Schaum. „Der Nachtbetreuer hat das dann abends entdeckt und dachte, er kriegt einen Schlag“, erzählt Akademie-Sozialpädagoge Rüdiger Becker. „Sie haben es dann aber auch wieder weggemacht.“

Becker kann wie kein Zweiter von den Anfängen und der Entwicklung des Hoffenheimer Spielerwohnheims im zweiten Obergeschoss des Leistungszentrums in der Sinsheimer Straße berichten. Im Frühjahr 2010 begann der gebürtige Heidelberger als Sozialpädagoge bei der TSG. Seine Anstellung war unmittelbar mit dem Spielerwohnheim verknüpft, dessen Aufbau Becker begleiten und verantworten sollte. „Ich habe damals die ersten Studenten als Nachtbetreuer eingestellt und mit ihnen erst einmal die Möbel für jedes einzelne Zimmer gekauft und zusammengebaut“, erinnert sich Becker.

Mit kleiner Spielergruppe gestartet

Zwölf Zimmer standen damals für die im Spielerwohnheim untergebrachten Talente zur Verfügung, doch im August 2010 zogen mit Marius Diebold, Jonas Schmidt, Hendrik Hilpert sowie den heutigen Bundesligaprofis Kenan Karaman (Fortuna Düsseldorf) und Niklas Süle (Bayern München) zunächst einmal fünf Spieler ein. Im Winter folgte mit Ömer Yıldırım ein sechster, ehe im darauffolgenden Sommer alle zwölf Zimmer belegt waren.

„Dass wir erst mal nur eine kleine Gruppe von Spielern im Wohnheim hatten, war gut. So konnten wir erst einmal im kleinen Rahmen schauen, wie alles klappt. Vor allem mit der Versorgung“, sagt Becker. Anfangs kam das Abendessen noch vom Caterer, später bereitete täglich ein Koch in der Akademie ein frisches Abendessen für die Jungs zu. Auch das musste sich jedoch erst noch einspielen. „Am Anfang haben zwei Trainer den Spielern nach dem Training auch mal das Abendessen weggegessen, weil ihnen angeblich nicht klar war, dass es für die Jungs aus dem Spielerwohnheim war“, erinnert sich Becker.

Zahlreiche Ex-Bewohner heute Profis

Vor allem in den vergangenen beiden Jahren hat sich das – oft auch als Internat bezeichnete –  Wohnheim noch einmal weiterentwickelt. Mit Julia Jäger hat Becker eine zweite hauptamtliche Pädagogin an die Seite gestellt bekommen. Außerdem wurde die Verpflegung mit zwei festangestellten Köchen und dem Ausbau der Küche optimiert, die zwölf Einzelzimmer sind zu elf Zimmern geworden, die zum Teil Einzel- und zum Teil Doppelzimmer sind, ein weiterer Raum steht jetzt dem Nachtbetreuer zu – und für U16-Spieler gibt es mittlerweile ein eigenes Wohnheim in Zuzenhausen.

In den beinahe zehn Wohnheim-Jahren hat Becker so manchen heutigen Profi bei seinen ersten Schritten im Leistungsfußball erlebt – von Süle und Karaman über Davie Selke (Werder Bremen), Grischa Prömel (Union Berlin), Russell Canouse (D.C. United/USA), Nadiem Amiri (Bayer Leverkusen), Barış Atik (Dynamo Dresden), Philipp Ochs (Hannover 96) und Antonis Aidonis (VfB Stuttgart) bis hin zum aktuellen TSG-Profi Dennis Geiger und U19-Spieler Maximilian Beier, der auch schon in der Bundesliga zum Einsatz kam und aktuell noch sein Zimmer im Spielerwohnheim hat.

Profis denken gerne an Wohnheim-Zeit zurück

„Früher haben die Jungs noch mehr in ihrer Freizeit gekickt“, erinnert sich Becker. Ob Süle, Karaman oder Canouse: In der trainingsfreien Zeit schnappten sie sich ein paar Bälle und gingen auf den Trainingsplatz, um Flanken zu schlagen, Freistöße zu üben oder zu jonglieren. „Ich glaube, dieses Freizeitkicken war für die Spieler gar nicht schlecht, aber heute ist das Training noch mal intensiver. Da geht das in der Form nicht mehr.“

Die ehemaligen Jungs aus dem Spielerwohnheim denken auch als gestandene Profis noch gerne an ihre Zeit in der Sinsheimer Straße 36 und ihren Sozialpädagogen zurück – das zeigt schon ein Interview von Niklas Süle auf achtzehn99.de. Darin bezeichnet er die Jahre im Spielerwohnheim als „die schönste Zeit meiner Kindheit“. Auch andere ehemalige Bewohner haben ihr Ersatz-Zuhause nicht vergessen und melden sich ab und an bei Becker. „Wenn ich sie dann mal wieder treffe, sind sie aber nicht die etablierten Profis von heute, sondern die Jungs von früher. So sehe ich sie auch immer noch“, sagt Becker, der zu nahezu jedem „seiner“ ehemaligen Spieler eine Anekdote parat hat. „Wenn ich unsere Bilderwand durchgehe, auf der jeder Bewohner festgehalten ist, muss ich schon bei vielen schmunzeln.“

Pädagogen als Ansprechpartner abseits des Sportlichen

Kleine Streiche und versuchte Mädchenbesuche, die im Spielerwohnheim eigentlich untersagt sind, kamen bei den 16- bis 18-jährigen Bewohnern immer mal wieder vor. Größere Eklats ereigneten sich jedoch nie. Das liegt auch an Rüdiger Becker und Julia Jäger, die ihre Jungs und das Spielerwohnheim stets im Griff haben. „Wir sind die Anlaufstelle für die Spieler“, sagt Becker. Daneben macht die Organisation der Verpflegung sowie der Zimmerbelegung und -ausstattung einen großen Teil ihrer Arbeit aus.

Vor allem sind sie aber als Ansprechpartner abseits des Sportlichen für die Jungs da. Damit sie sich auf dem Weg zu ihrem Traum vom Profifußball und fernab des Elternhauses ein Stück weit heimisch fühlen. „Manche Spieler kommen fast nie zu mir, andere sind sehr oft da und brauchen viel Zuspruch und Hilfe.“ Die oft schon sehr reif erscheinende Fassade der Talente hat für Becker nichts zu heißen. „Viele wirken schon erwachsen, aber bei manchen Alltagsfragen merkst du dann, dass da noch einiges fehlt. Aber dafür sind wir ja auch da.“ Und für Becker bleiben die Jungs aus dem Spielerwohnheim irgendwie ja ohnehin immer die 16- oder 17-jährigen Jungs, als die sie in die Sinsheimer Straße eingezogen sind.

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