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SPIELFELD
09.01.2020

„Das System gerät aus den Fugen“

Dietmar Hopp, Mehrheitseigner der TSG Hoffenheim, und Andreas Rettig, der seit mehr als 25 Jahren in verantwortlichen Positionen bei verschiedenen Klubs und bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) tätig war, haben sich zu einem Gespräch getroffen, obgleich sie jahrelang in kaum einem Punkt einer Meinung waren. Zur Begrüßung hat Rettig (55) ein Geschenk für Hopp (79) mitgebracht. Es handelt sich um Honig, der in einen kleinen gläsernen Fußball gefüllt ist. „Seit zwei Jahren wird auf dem Dach des St. Pauli-Stadions am Millerntor Bienenhonig produziert. Dieses Jahr wurde die zweite Ernte eingebracht. Sie ist nach unserem ehemaligen Trainer Lienen benannt, es ist der E-Wald Bienenhonig“, sagt Rettig und überreicht Hopp das originelle Präsent.

Wir freuen uns sehr, dass wir Sie beide zum Gespräch an einen Tisch gebracht haben. Es soll weniger um Viererkette als vielmehr um Verantwortung gehen. Welche Rolle soll der Fußball einnehmen? Da wir uns in der von Dietmar Hopp gestifteten KLIMA ARENA in Sinsheim befinden, stellen wir die naheliegende Frage: Inwieweit ist auch der Klimawandel ein Thema des Fußballs?

Andreas Rettig: „Ich habe das Thema nicht entdeckt, weil Greta Thunberg durch das Land gelaufen ist. Ich bin in Freiburg sozialisiert worden, der Stadt mit dem ersten grünen Oberbürgermeister in Baden-Württemberg. Beim SC Freiburg waren wir die ersten in der Bundesliga, die auch Solaranlagen auf das Dach gesetzt haben und als ich beim FC Augsburg war, haben wir dort das Stadion C02-neutral gebaut. Das Thema interessiert mich aus tiefer Überzeugung und nicht weil es ‚en vogue‘ ist. Das Thema der Klimakatastrophe aber gerät – auch dank Greta – nun immer mehr ins Bewusstsein vieler Leute. Jetzt hat das Thema die Resonanz bekommen, dass es auch die Profivereine erreichen sollte. Das hoffe ich zumindest.“

Dietmar Hopp: „Wir hören und lesen seit mehr als 20 Jahren, dass sich das Klima ungünstig entwickelt. Immer häufiger verspürte ich große Sorgen, wie die Generation meiner Enkel in Zukunft leben wird. Das war dann 2014 der Impuls, eine Klima Arena als Informations- und Erlebnisort zu errichten. Der Klimawandel gerät mit dieser Klima Arena zusätzlich ins Bewusstsein vieler Leute, weil er hier nahbarer, spürbar, erlebbar geworden ist. Die Sommer werden heißer, Weihnachten ist nahezu immergrün, Überschwemmungen nehmen zu. Es ist nicht mehr abstrakt, wenn Wissenschaftler darüber reden. Wir alle tragen Verantwortung dafür, was aus diesem Planeten wird. Und ich hoffe ebenfalls, dass sich der Profifußball dieser wichtigsten Zukunftsfrage stellt.“

Andreas Rettig nimmt sich nach dem Interview, das über eine Stunde dauert, noch die Zeit, von Bernd Welz, dem Vorstand der Klimastiftung für Bürger, durch die KLIMA ARENA führen zu lassen. Rettigs Fazit: „Beeindruckend, was Dietmar Hopp hier geschaffen hat.“

Brauchen wir Greta Thunberg und die Bewegung Fridays for Future noch, um diejenigen zu überzeugen, die den menschengemachten Klimawandel noch immer leugnen?

Hopp: „Greta brauchen wir tatsächlich noch, aber nicht in der Form, wie es zuletzt übermäßig betrieben wurde. Aktionen wie die Atlantik-Überquerung wirkten wie eine PR-Aktion, die von ihrem Umfeld geplant wurde. Aber ohne Frage hat dieses Mädchen etwas in Bewegung gebracht, obwohl es nach meiner Ansicht unverantwortlich ist, wie ihre Eltern und Berater sie überstrapazieren. Die Freitagsdemos waren wichtig, nun aber sollte der Protest in eine neue Phase übergehen, die Kinder müssen zur Schule, denn sie brauchen Bildung für ihr späteres Leben. Sie müssen auch lernen, wie der Klimawandel abzuwenden ist -dazu ist die Klima Arena als außerschulischer Lernort ja da. Wir brauchen tatsächlich massive Anstrengungen, die ich mir von der Politik wünsche. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum nicht massive Anstrengungen unternommen werden, um die Wasserstoff-Technik voranzubringen, obwohl jeder weiß, dass Elektromobilität keine echte Perspektive besitzt.“

Der Ton zwischen den beiden Diskutanten ist während des gesamten Gesprächs offen, klar, durchaus unterschiedlich geprägt, aber immer verbindlich. Auffällig: Das gegenseitige Interesse am Austausch, an den Argumenten des anderen. Etwas, dass man in den erhitzten wie unversöhnlich geführten Debatten der heutigen Zeit oft vermisst.

„Wir dürfen Ökologie und Ökonomie nicht gegeneinander ausspielen.“

Inwieweit stellt diese Bewegung auch dem Fußball eine Aufgabe, Herr Rettig?

Rettig: „Ich kann Herrn Hopp nur zustimmen, was das Thema Greta samt Hype betrifft. Jetzt sind wir alle, vor allem die Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Sport gefordert, diesen Ball aufzunehmen. Aber im Fußball ist unser Denken zu verhaftet in Themen, wie möglichst viel Geld generiert werden kann. Es ist falsch, sich jedes Jahr nur über Umsatzsteigerungen und Erlösmaximierung zu definieren, so wichtig auch das ist. Aber es ist eben nicht das allein Seligmachende. Ich bin kein Träumer, wirtschaftliche Vernunft wird bei mir großgeschrieben. Wir dürfen Ökologie und Ökonomie nicht gegeneinander ausspielen. Aber wir müssen sie wenigstens gleichberechtigt nebeneinanderstellen.“

Hopp: „Mehr als das ist nötig. Der Druck, dass auch der Fußball aktiv wird, ist groß. Und ich sehe die Chance, dass dies geschieht. Wir als TSG Hoffenheim können mithelfen und zeigen, dass man sich in verschiedenen Formen und Projekten engagieren kann. Das sieht man auch an dieser Klima Arena. Die TSG hat eine Vielzahl von Nachhaltigkeits-Initiativen gestartet, zum Beispiel indem sie im August 2019 alle ihre Aktivitäten unter eine Klimaneutralität gestellt hat. Wichtig ist auch, dass wir bei diesem Thema die Fans mitnehmen. Ich habe da insbesondere das Klima-Ticket im Blick, bei dem die Zuschauer für ihre Heimspielkarte einen Euro mehr zahlen. Auch in Mainz, bei St. Pauli, Freiburg oder Bremen hat die Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert. Es wäre aber auch wichtig, wenn ein großer Player wie der FC Bayern München oder Borussia Dortmund sich diesen Themen öffnet, um einen möglichst großen Nachahmungs- und Sogeffekt zu erzielen.“

Rettig: „Ich wäre ja schon froh, wenn ökologische Aspekte mit in die Lizenzierung durch die DFL einfließen würden. Mir leuchtet nicht ein, dass wir die Lux-Werte für das Flutlicht definieren, wie viele Quadratzentimeter die Werbung auf dem Trikot umfassen darf, aber zu ökologischen Themen gibt es null Vorgaben in den Lizenzierungsvorschriften der DFL.“

Welche Kriterien könnten dies sein?

Rettig: „In Sachen Nachwuchsleitungszentren haben damals auch nicht alle ‚Hurra‘ geschrien, als sie verbindlich vorgeschrieben wurden. (Rettig hatte sechs Jahre lang den Vorsitz der DFL-Kommission Nachwuchsleitungszentrum inne; d. Red.) Ich meine, dass wir jetzt wieder an dem Punkt sind, dass wir die Vereine zu ihrem Glück zwingen müssen. Es könnte so sein, dass Klubs, die zum Beispiel E-Ladestationen einrichten, Solaranlagen nutzen und beim Merchandising nachhaltig produzieren, von den Medienerlösen profitieren. Das hätte eine Sogwirkung, wenn jeder Klub weiß, dass sein gutes Handeln pro Umweltschutz sogar noch honoriert wird.“

Hopp: „Man sollte den Klubs generell Anreize zum nachhaltigen Wirtschaften geben. Entweder indem sie stärker an den Erlösen partizipieren oder ihnen etwa in einem größeren Rahmen Aufmerksamkeit garantiert. In den Medienverträgen ist doch alles fixiert, warum nicht zum Beispiel auch die Häufigkeit von Veröffentlichungen in den Klubkanälen zu solchen Themen?“

Rettig: „Beim DFB und in der DFL wird diesbezüglich zu wenig getan. Die Möglichkeit, das Thema öffentlichkeitswirksam zu besetzen, wird verpasst. Hoffenheim wird für seine Klimaneutralität zurecht sehr gelobt. Aber wir haben pro Saison 18 Millionen Besucher in den Stadien. Es geht um 8000 Tonnen C02-Ausstoß pro Spieltag. Die Aufgabe, einmal Konzepte für das Reisemanagement zu entwickeln, muss der Verband angehen. Stattdessen wird nahezu ausschließlich versucht, die Erlösseite zu steigern.“

„Fußball ist Kulturgut und Volkssport“

Damit berühren wir das Thema der Kommerzialisierung des Fußballs. Wie groß ist die Gefahr, dass sich der Fußball von den Menschen entfremdet?

Hopp: „Der Hauptgrund, warum das System aus den Fugen gerät, liegt darin, dass die Regeln des Financial Fairplay von den Verbänden UEFA und FIFA nicht ernst genommen werden. Wenn beispielsweise der Besitzer von Paris St.-Germain dort investiert, einen Neymar verpflichtet und die Ablöse von 220 Millionen Euro als Marketingausgabe geltend machen kann, dann ist das ein Irrsinn. Dann kann man Financial Fairplay in die Tonne werfen. In Deutschland sieht es nur wegen der 50+1-Regelung besser aus, weil sie ermöglicht, dass Financial Fairplay so gelebt wird, wie man es sich wünschte. So können sich die großen internationalen Klubs weit von der Konkurrenz absetzen.“

Rettig: „Ich verstehe den Fan, der sagt, ich entferne mich emotional davon, da sitzen nur Entscheider, die machen mit dem Klub, was sie wollen. Ich halte auch die Behauptung, der deutsche Fußball wäre ohne die 50+1-Regelung international wettbewerbsfähiger, für ausgemachten Blödsinn. Ein Wettstreit gegen Oligarchen, Staatsfonds und chinesische Konglomerate ist gar nicht zu gewinnen. Es ist ein Ammenmärchen, dass Neymar für 250 Millionen Euro zu den Bayern wechseln würde. Dann zahlen die Katari eben 300 Millionen. Ich verteufele Investorengelder grundsätzlich nicht. Ich sage immer, sie sollen ihr Geld bringen, wenn sie sich an die Spielregeln halten, aber sie müssen die Kultur hier akzeptieren: Fußball ist Kulturgut und Volkssport.“

Mit dem „Volkssport“ Fußball kennen sich die beiden Gesprächspartner aus. Eine Geburtsstunde der Bedeutung des Fußballs, mithin sogar der Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland, hat auch Dietmar Hopp inspiriert. Der WM-Titel von 1954, sein Idol Fritz Walter führte den damals 14-jährigen Dietmar Hopp in den Fußballverein – zur TSG Hoffenheim. Andreas Rettig wurde erst ein knappes Jahrzehnt später geboren – der Verein seines Herzens aber ist eng mit dem Wunder von Bern verknüpft. Der Rheinländer Rettig ist Mitglied bei RW Essen, Deutscher Meister 1955, dem Klub vom „Boss“ Helmut Rahn.

Aber das von Ihnen zitierte „Volk“ kommt doch bei den Summen von Ablösen und Gehältern gar nicht mehr mit.

Rettig: „Wir springen wirklich zu kurz, wenn wir uns nur darüber definieren, noch mehr Geld zu generieren. Was die DFL für alle Vereine mit den TV-Verträgen zusätzlich erwirtschaftet, geht dann mit einem Abschlag sowieso an die Spieler und Berater.“

Hopp: „Genau. Phasenversetzt und jeden Monat aufs Neue.“ (nickt)

Rettig: „Warum also nicht auch diese als Hauptprofiteure in die Pflicht nehmen?“

Hopp:Die DFL hat bisher aus der Situation noch das Beste gemacht. Wenn ihr Chef Christian Seifert nicht so ein toller Verkäufer der TV-Rechte wäre, dann wäre die Bundesliga vielleicht schon richtig abgehängt. Der Preis, den die Fernsehzuschauer dafür zahlen ist der, dass sie nicht mehr jedes Fußballspiel im TV schauen können. Ich persönlich habe auch keine Lust, alle möglichen Kanäle rauszusuchen und zu abonnieren.“

Rettig: „Der Fußball verliert die Menschen, die sich wegen der goldenen Steaks abwenden. Und der nächste TV-Vertrag führt nur dazu, dass der Spieler das Steak mit Platin bestreichen lassen kann. Das Verbindende geht verloren. Vielleicht bin ich zu gefühlsduselig, wenn ich das Singen vor dem Spiel, wenn das Vereinslied gespielt wird, als etwas Großartiges bezeichne. Das ist etwas Verbindendes an einem Ort der Gemeinschaft. Die Gefahr, dass die Kraft des Fußballs nachlässt und bei vielen Menschen eine emotionale Entfremdung eintritt, liegt auch daran, dass wir keine glaubwürdigen Persönlichkeiten mehr haben. Die Infantinos dieser Welt und korrupten Vögel überall – die strahlen natürlich auch negativ auf den Fußball insgesamt ab. Aber so geht es auch der Kirche, die sich von Skandal zu Skandal hangelt. Auch in der Politik haben wir kaum noch Gesichter, die für Glaubwürdigkeit stehen.“

Haltung, Werte. Themen, bei denen Dietmar Hopp und Andreas Rettig offenkundig auf einer Wellenlänge liegen. Dietmar Hopp hat bereits 2001 den Verein Anpfiff ins Leben gegründet, um Jugendlichen über den Sport eine Orientierung und Perspektiven zu vermitteln.

Sollte einer der Schwerpunkte also künftig darin liegen, dass die Nachhaltigkeit im Fußball ebenso wie die soziale Verantwortung, als Corporate Social Responsibility (CSR) bekannt, stärker betont wird?

Hopp: „Ich habe schon einmal in einem Interview gesagt, dass jeder Klub verpflichtet werden sollte, drei Prozent des Etats für CSR-Projekte aufzuwenden. Das finde ich sowohl angemessen als auch leistbar. Leider fand der Vorschlag kein Gehör.“

Rettig: „Ich kann da nur zu 100 Prozent beipflichten. Wir könnten zum Beispiel CSR-Verantwortliche für die Klubs verpflichtend machen, genauso wie die Vereine Fan-Verantwortliche einstellen mussten. Die wichtigsten Themen, nämlich Nachhaltigkeit und Zukunft, sind bei der DFL nicht besonders ausgeprägt. Dabei müsste bei einem Umsatz von 4,6 Milliarden Euro pro Jahr auch in Forschung und Entwicklung investiert werden.“

Hoffnungen verbinden Dietmar Hopp wie Andreas Rettig mit dem neuen DFB-Präsidenten Fritz Keller. Der frühere Boss des SC Freiburg genießt einen tadellosen Ruf, ist ein erfolgreicher Unternehmer, gilt aber zugleich auch bodenständiger Mensch mit wertkonservativer Haltung. 

Rettig: „Wir stehen von der Grundsatzfrage, wo wollen wir im Fußball hin? Wollen wir mehr eine Konzerndenke, angestellte Manager und Geschäftsführer, die sagen, wir orientieren uns als erstes am Unternehmens- bzw. Aktienwert und nach uns die Sintflut? Oder wollen wir eher in Familienbetrieben denken, die in Generationen ausgerichtet sind und in langfristigen Zeitachsen denken und handeln. Wir sollten die bodenständigste, die sozialste und nachhaltigste Liga werden. Dies wäre eine neue DNA für die Bundesliga, für die es sich zu kämpfen lohnt. Die jungen Leute gehen heute mit 15 für solche Themen auf die Straße. Wenn ich sehe, wie die Generation Z tickt, dann ist es perspektivisch für den Fußball-Standort Deutschland ein echter Wert, wenn man glaubwürdig sagen kann: ‚Hier bei uns gehen die Uhren anders.‘ Und wenn wir dann einen Pokal weniger gewinnen, dann ist es halt so.“

Rettig blickt anerkennend hinüber zu Dietmar Hopp, der 1972 die SAP gründete und gemeinsam mit seinen Mitstreitern dank kluger Strategie und langfristiger Planung zu einem erfolgreichen Weltkonzern formte – und bei den Mitarbeitern zugleich einen hervorragenden Ruf als überaus empathischer Chef genoss. Rettig ist der Respekt vor dieser Lebensleistung anzumerken.

„Was in Hoffenheim geleistet wird, ist vorbildlich“

Gibt es bei der Nachwuchsförderung einen ebenso hohen Nachholbedarf?

Hopp: „Ich finde, dass die Profivereine eine sehr große Verantwortung tragen, sich auch um die schulische, berufliche und auch charakterliche Ausbildung der Jugendlichen intensiv zu kümmern. Deshalb wendet sich bei uns Anpfiff ins Leben mit professionellen Strukturen der zweiten Ausbildung des Nachwuchses zu. Denn schließlich schaffen es maximal zwei Prozent pro Jahrgang, als Profi mit dem Fußball genug Geld zu verdienen, dass sie am Ende der Karriere ausgesorgt haben.“

Rettig: „Das Schienbein ist schnell gebrochen, das Kreuzband schnell gerissen. Es gibt keinen Ersatz für eine duale Ausbildung. Eine Aussage, wie sie Herr Magath mal gemacht hat, dass ein junger Profi sein Abitur abbrechen soll (Julian Draxler; Anm. d. Red.), ist in diesem Zusammenhang übrigens wenig hilfreich. Ich habe ihm deswegen damals auch einen Brief geschrieben. Was in Hoffenheim mit der konsequenten schulischen Förderung geleistet wird, die eine hohe Qualität besitzt, ist dagegen vorbildlich.“

Hopp: Wir planen nun sogar, noch einen Schritt weiterzugehen und eine Privatschule zu gründen, weil das offenbar die einzige Möglichkeit ist, dass die Jugendlichen den Leistungssport und die schulischen Anforderungen reibungsloser unter einen Hut bekommen. Momentan sind sie enormen Belastungen ausgesetzt.“

Rettig: „Da kann ich Ihnen nur zu gratulieren, wenn Sie das mit der Privatschule hinbekommen. Dies ist genau der richtige Weg, um größtmögliche Flexibilität zu erreichen. Und die von Ihnen angesprochene Charakterbildung ist eine immens wichtige Angelegenheit. Ich muss in den Akademien das richtige Bewusstsein schaffen, neben dem Pass mit der Innenseite auch andere Dinge thematisieren. um deutlich zu machen, in was für einer Traumwelt wir leben. Dazu gehört auch, den jungen Leuten immer zu sagen, dass sie diese Anteilnahme und Annehmlichkeiten genießen, weil sie das Trikot tragen. Das gilt keiner Person. Das ist irgendwann vorbei. Aber es fällt uns noch zu schwer, das zu vermitteln. Weil wir zu viele Protagonisten haben, die Wasser predigen und selber dabei Wein trinken, um es mal klar zu sagen.“

Wir sind bass erstaunt. Hier sitzen Dietmar Hopp und Andreas Rettig zusammen und wir stellen nach einer Stunde Gespräch fest: So unterschiedlich wie allgemein angenommen sind Sie gar nicht.

Hopp: „Wir sind sogar weitgehend sehr einig.“ (lacht)

Rettig: „Ich habe Herrn Hopp ja nie für sein Engagement kritisiert. Mir ging es immer darum, dass man sich an die Spielregeln halten muss. Herr Hopp hat das in außergewöhnlicher Weise gemacht. Als ehemaliger DFL-Geschäftsführer, der an Ihrer Ausnahmegenehmigung von 50+1 beteiligt war, weiß ich sehr genau, was Sie geleistet haben und kann nur sagen: Ich gratuliere. Der Unterschied zwischen ihrem Engagement und dem der Bayer AG in Leverkusen und Volkswagen in Wolfsburg etwa ist ein ganz profaner: Sie haben Ihr privat versteuertes Geld investiert, um die TSG Hoffenheim zu entwickeln. Das ist ein Riesenunterschied. Sie haben hier selbst gespielt, Sie sind hier groß geworden, Sie haben in Infrastruktur und in die Nachwuchsförderung investiert. Ihr Engagement ist überaus glaubwürdig wie nachhaltig. Das hat für mich eine ganz andere Qualität, als wenn man den Fußball als Werbeplattform benutzt, um Autos, Tabletten oder Brausegetränke zu verkaufen. Deswegen verteidige ich auch Ihr Engagement zum Unwillen von Teilen der Fanszene. Zugleich kämpfe ich weiter für den Erhalt von 50+1 und das mit Überzeugung.“

Dietmar Hopp wie Andreas Rettig wissen: Mit dem millionenschweren Einstieg der Investorengruppe Tennor von Lars Windhorst bei Hertha BSC gewinnt die Thematik neue Wucht – und lässt den neutralen Beobachter fragend zurück, wie eigentlich in dieser Gemengelage Dietmar Hopp zum Zerrbild eines Investors stilisiert werden konnte.

Hopp: „Mir ist Ihr Kampf für 50+1 recht. Ich missbrauche die Ausnahmegenehmigung nicht. Wenn das Financial Fairplay funktionieren würde, wurde es noch schärfer kontrolliert – und alle würden sehen und anerkennen, dass die TSG Hoffenheim und ich mich an alle Regeln halte.“

Abschließende Frage: Wo sehen Sie denn der Fußball in zehn Jahren?

Rettig: „Die Frage muss an den Visionär gehen.“

Hopp: „Bitte keine europäische Superliga oder ein DFB-Pokalfinale auf dem asiatischen Markt.“

Rettig: „Ich wende mich vom Fußball ab, wenn wir aus Vermarktungsgründen von der DFL verpflichtet werden, einen Sumo-Ringer ins Tor zu stellen, weil das für den asiatischen Markt besser ist.“

Hopp: „Aber eines muss immer gleichbleiben, egal wie die Umstände sind, wie viel ein Spieler auch verdient: Wenn der Schiedsrichter das Spiel anpfeift, konzentrierst du dich auf das Spiel. Dann vergisst du alles andere. Das ist Fußball.“ 

Andreas Rettig lächelt. Dietmar Hopp nimmt die Hand des jüngeren Gegenübers, drückt fest zu und sagt: „Danke für das angenehme Gespräch. Herr Rettig, wir haben so viele Gemeinsamkeiten, da können wir auch Du zueinander sagen.“ Eine hübsche Pointe eines aufschlussreichen Gesprächs zweier wichtiger Männer im deutschen Fußball.

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