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SPIELFELD
26.12.2019

Posch: „Es kommt nicht nur aufs Talent an“

Stefan Posch blickt auf sein bestes Jahr im Profi-Fußball zurück. In der Bundesliga hat er sich etabliert und zum Stammspieler entwickelt, mit der österreichischen Nationalmannschaft glückte die EM-Qualifikation. SPIELFELD hat den 22 Jahre alten Verteidiger in der Heidelberger Altstadt getroffen – in einer ebenso historischen wie stylischen Umgebung, im Karzer, dem früheren Studentengefängnis der Uni Heidelberg. Stefan Posch spricht über seinen Weg aus der TSG-Akademie in den Profifußball, die Bedeutung von Talent und Fleiß sowie seinen angestrebten Weg zum Führungsspieler. Ob dann aus dem niedlichen „Poschi“ der erwachsene Stefan wird: „Nee“, sagt der junge Österreicher und lacht, „ich bleib der Gleiche. Ich bin immer der Poschi.“

Du bist im Alter von 22 Jahren Bundesligaprofi, A-Nationalspieler und hast für Österreich ein Siegtor geschossen und damit das Tor zur Europameisterschaft weit aufgestoßen. Wenn man das dem 17-jährigen Stefan Posch vorausgesagt hätte, was hätte er geantwortet?

„Das unterschreibe ich sofort. Vor allem die Erlebnisse mit der Nationalmannschaft mit dem Siegtor beim 1:0 gegen Slowenien und der Qualifikation für die EM 2020 waren absolute Höhepunkte meiner noch jungen Karriere. Das war für ganz Österreich ein sehr wichtiges Tor und ich habe das Gefühl, dass ich meine Familie gerade sehr stolz mache. Ich war zwar früher Offensivspieler, habe aber nun wirklich sehr lange auf einen Treffer gewartet. Dass es dann in so einem wichtigen Länderspiel für die Nationalmannschaft passiert, ist natürlich fantastisch. Aber ich hoffe, dass es bald auch im TSG-Trikot klappt. Es wird langsam Zeit.“

Hattest Du die Entwicklung so erwartet oder bist Du selbst überrascht?

„Ich habe es mir immer zugetraut und bei meinem Profi-Debüt in der Europa League gegen Rasgrad im Herbst 2017 auch gemerkt, dass ich mithalten kann. Und dass, wenn ich weiter hart arbeite, alles möglich ist. Es kommt nicht immer nur auf Talent an. Das Wichtigste ist harte Arbeit und der Glaube an sich selbst. Und bislang macht sich das bezahlt.“

„Es ging immer Schritt für Schritt“

Du bist über die U19 und U23 zu den Profis gelangt. Andere TSG-Talente haben sofort in der Bundesliga Fuß gefasst. Wie blickst Du auf Deinen Weg zurück?

„Es ging immer Schritt für Schritt. Ich war immer geduldig und habe mich nie unter Druck gesetzt. Das wurde belohnt. Ich glaube, Geduld ist in der heutigen Zeit eine wichtige Eigenschaft, die von vielen jungen Spielern unterschätzt wird. Man muss bereit sein, wenn die Chance kommt. Das war ich, deshalb war die Entwicklung über die U23 genau richtig.“

Im U19-Finale 2016 gegen Dortmund in Sinsheim hast Du auf der Bank gesessen. Selbst die Leistungsträger dieser Teams landen nicht zwingend in der Bundesliga. Kamen da Zweifel auf – es war ja bis dahin das große Highlight Deiner Laufbahn.

„Ich hatte im Halbfinale wegen meiner Abschlussprüfung gefehlt, danach hat der Trainer nicht mehr umgestellt. Aber klar, ich war damals sehr enttäuscht und hatte Glück, dass danach die U19-EM in Deutschland anstand, also ein weiteres Highlight. Danach habe ich in der U23 der TSG angefangen und mich dort gut entwickelt. Der Blick richtete sich also immer nach vorn.“

Hattest Du nie Zweifel?

„Es gibt im Leben doch immer Phasen, in denen es mal besser und auch mal schlechter läuft. Aber während der U19-Saison habe ich irgendwann zu mir selbst gesagt: Ich mache und opfere jetzt alles für den Fußball. Wenn es dann nicht reicht, dann reicht es halt nicht. Aber ich kann danach in den Spiegel schauen und sagen: Ich habe alles versucht, ich war halt nicht gut genug. Das war ein Wendepunkt, danach ging es für mich stetig bergauf.“

„Ich war immer diszipliniert und motiviert“

Du warst vorher schon aus Österreich nach Deutschland gezogen und hast in Deiner Jugend auf viel verzichtet. Dennoch hattest Du das Gefühl, die letzten Prozent nicht gegeben zu haben?

„Meine Entwicklung war ein jahrelanger Prozess, und dazu gehört auch die mentale Komponente. Ich war immer diszipliniert und motiviert. Aber irgendwann musst Du Dich entscheiden, ob Du auch noch die Extra-Meter gehst, um ans Ziel zu kommen. Vor allem als Spielertyp, der sich eher über die Arbeit als über das größte Talent definiert.“

Hat man als junger Spieler nur die Bundesliga als Ziel, oder werden auch zweite und dritte Liga als Erfüllung des Profi-Traums angesehen?

„Ich habe mir darüber gar nicht so viele Gedanken gemacht und wollte einfach das Bestmögliche für mich herausholen. In der U19 ist man von den Profis noch weit weg und weiß nicht, wohin der Weg führen wird. Als U23-Spieler habe ich dann die ersten Einheiten mit der Bundesliga-Mannschaft absolviert und wurde langsam herangeführt. Dann merkst Du, dass auch die Bundesliga möglich ist.“

Gegen Paderborn stand Maximilian Beier erstmals im Profi-Aufgebot – nur wenige Tage nach seinem 17. Geburtstag. Denkt man an seine eigene Entwicklung zurück, wenn man so einen jungen Spieler neben sich sieht, der noch mit großen Augen auf das Profi-Business schaut?

„Mich freut es immer wieder, wenn junge Spieler mal dabei sein dürfen und erfahren, wie sich das anfühlt in der Bundesliga. Maximilian hat ein riesiges Talent und wenn er hart arbeiten wird, kann er es natürlich schaffen. Ich habe ihn auch gefragt, ob er nervös ist und ihm Mut zugesprochen: Im Endeffekt ist es ja nichts anderes als jedes andere Fußballspiel – nur mit mehr Zuschauern. Man sollte ganz gelassen und nicht zu aufgeregt sein.“

Wie fühlt es sich an, mit 22 Jahren der alte Hase zu sein?

(lacht) „Naja, so würde ich das noch nicht bezeichnen. Vielleicht aus Maximilians Sicht. Aber es gehört ja auch zu der Aufgabe der ehemaligen Akademie-Spieler, den Talenten zu helfen. Weil wir genau wissen, wie es sich anfühlt, erstmalig dabei zu sein und wir Tipps geben können, weil wir diesen Weg auch gegangen sind.“

„Man wächst als Persönlichkeit“

Wie hat sich Dein Leben – unabhängig vom Lebensstandard – seit der Zeit in der Akademie verändert?

„Man verändert sich im Laufe des Lebens wohl ständig ein wenig. Man wächst als Persönlichkeit, wird reifer und weiß auch mit zunehmender Erfahrung, was man für sich braucht und was nicht. Das ist ein Prozess, in dem man Tag für Tag lernt. Zudem steht man in der Öffentlichkeit, die Wahrnehmung ist viel größer als vorher. Ich genieße das alles und bin stolz darauf, dass ich den Weg bis hierher gemacht habe. Ich hoffe, dass es so weitergeht und weiß aber auch, wie schnell es in diesem Geschäft vorbei sein kann. Man darf sich nie zurücklehnen oder ausruhen. Man muss immer weiter konzentriert sein. Denn eins ist klar: Es kommen genügend junge und talentierte Spieler nach, die deinen Platz haben wollen.“

Früher mussten Spieler viele Jahre Top-Leistungen bringen, um den großen Vertrag ihrer Karriere zu bekommen. Mittlerweile verdienen schon junge Spieler so gut, dass sie früh ausgesorgt haben. Ist diese Entwicklung für die Einstellung zum Sport auch gefährlich?

„Hinter Erfolg verbirgt sich immer eine Gefahr – es geht schnell in die andere Richtung. Man muss behutsam damit umgehen, Dinge reflektieren und weiterarbeiten. Ich bin sehr bodenständig aufgewachsen, das hilft mir. Meine Eltern haben auch keine Bedenken, dass ich mich zu viel feiern lasse. Das ist als junger Profi gefährlich. Als Fußball-Profi hat man viele Möglichkeiten, die andere Menschen in dem Alter nicht haben. Es ist auch nicht immer einfach, wenn man als junger Kerl so viel Geld verdient. Man hat ja nie gelernt, damit umzugehen. Darum benötigt man von Eltern und Freunden Hilfe. Wenn man da allein ist, ist es schwierig. Und natürlich hilft es, dass das Umfeld hier in der Region ruhig ist und die Ablenkung nicht so stark ist wie etwa in Großstädten.“

Autogramme schreiben, für Selfies posieren – diese Dinge gehören zum Profi-Alltag dazu. Als Jugendlicher träumt man davon, empfindet man sie nach ein paar Jahren im Geschäft als lästig?

„Überhaupt nicht. Es so weit nach oben zu schaffen – dafür arbeitet man sein ganzes Leben, und man freut sich dann eher, wenn Kinder oder auch Erwachsene nach einem Autogramm oder Foto fragen. Ich sehe das als Belohnung für meine Arbeit und erinnere mich dann auch an meine Jugend und was es mir damals bedeutet hat, einen Profi zu treffen. Als kleiner Bub war Ivica Vastic von Sturm Graz mein großes Idol, so etwas vergisst man nicht.“

Hast Du den Eindruck, dass Du Dir durch die Leistungen in diesem Jahr in Österreich und Hoffenheim einen anderen Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung erarbeitet hast?

„Früher war ich der Junge, der mal ein paar Minuten Spielzeit erhielt. Mittlerweile bin ich Stammkraft und Leistungsträger. Ich spiele die Spiele natürlich nicht locker runter, aber vor etwa einem Jahr hatte ich eine Phase, in der ich regelmäßig gespielt habe und konstant Leistung gezeigt habe. Das war ein entscheidender Entwicklungssprung für mich. Da habe ich gemerkt: Es steht Dir nichts im Weg, wenn Du Dich dauerhaft durchsetzen möchtest, liegt es nur an Dir selbst. Und nun arbeite ich daran, dass es so bleibt.“

„Neue Erfahrungen bringen dich immer weiter“

Wie war es für Dich im Sommer, einen neuen Trainer zu bekommen? Julian Nagelsmann kannte Dich seit der Jugend. Zwar hast Du auch schon mit Alfred Schreuder zusammengearbeitet, dennoch war es ein Neustart für Dich.

„Ich habe keine Unsicherheit verspürt, sondern eher Vorfreude auf etwas Neues. Julian war viele Jahre mein Trainer. Darum tat es mir gut, auch mal einen anderen Trainer zu bekommen, der eine andere Philosophie hat und auch als Mensch anders tickt. Darum war der Wechsel gut – auch für mich persönlich. Neue Erfahrungen bringen Dich immer weiter.“

War es für Dich als Verteidiger auch hilfreich, einen Trainer zu bekommen, der vielleicht größeren Wert auf die defensive Disziplin legt?

„Es sind verschiedene Typen mit verschiedenen Ansichten. Und von jedem Trainer kann man viel mitnehmen. Wir gehen nicht mehr so viel Risiko in der Defensive. Das sieht man auch an den Ergebnissen. Es ist aber nicht so, dass wir alles umgestellt haben und anders machen. Das neue Gefüge mit vielen neuen Spielern und Trainerteam benötigte am Anfang etwas Zeit. Aber als die Ergebnisse besser wurden, wurden auch die Leistungen besser. Wir zeigen als Mannschaft nun, dass wir seit dem Start der Vorbereitung gut gearbeitet haben.“

Was zeichnet Alfred Schreuder aus? 

„Er ist sehr akribisch, thematisiert jedes Detail. So war er damals schon als Co-Trainer, nun spürt man das noch stärker. Zudem vertraut er seinen Spielern, ist ehrlich und hat ein klares Konzept, an dem er festhält. Es war wichtig, dass er und auch wir als Mannschaft nach den Heimniederlagen zu Beginn der Saison ruhig geblieben sind. So haben wir das Blatt gedreht.“

Du hast einen Vertrag bis 2023, es gab allerdings finanziell lukrative Angebote im Sommer. Du warst noch nie so lange Zeit bei einem Verein wie bei der TSG. Was macht Hoffenheim für Dich so speziell?

„Es ist der richtige Verein für mich, um mich weiterzuentwickeln. Und ich bin noch lange nicht fertig, deshalb habe ich den Vertrag hier vorzeitig verlängert. Wir hatten gute Gespräche und ich hatte das Gefühl, dass sich diese Saison noch einmal etwas verändern wird und ich somit auch bei der TSG neue und wichtige Erfahrungen sammeln kann. Ich will hier absoluter Leistungsträger werden und dazu beitragen, dass wir etwas Großes erreichen. Wir wollen alle wieder international spielen. Das ist ein langer Weg, aber wir haben die richtige Richtung eingeschlagen.“

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