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SPIELFELD
03.04.2018

Wildersinn: "Eintrittskarte in den Profi-Fußball"

Marco Wildersinn (37) hat den Fußballlehrer-Lehrgang absolviert und im März die höchste deutsche Trainerlizenz überreicht bekommen. Im SPIELFELD-Interview spricht der Coach der Hoffenheimer U23 über die Abläufe und Anforderungen des Lehrgangs, die Zusammenarbeit mit Julian Nagelsmann und den Saisonendspurt der Regionalliga.

Am Ende des zehnmonatigen Lehrgangs wurden am 19. März in Neu-Isenburg die Fußballlehrer-Lizenzen an die 25 Absolventen des 64. Jahrgangs überreicht. Haben Sie den Abend genossen?

Marco Wildersinn: "Es war ein wirklich schöner und feierlicher Abend. Nach zehn Monaten Arbeit war es ein ganz besonderes Gefühl und ein absolutes Highlight, die Lizenz auf der Bühne neben meinen Jahrgangskollegen entgegenzunehmen."

Sind Sie dennoch froh, dass die Doppelbelastung nun vorbei ist?

Wildersinn: "Ja, es war zwar eine sehr schöne Zeit, aber auf Dauer ist das schon hart. Deswegen bin ich auch glücklich, eine Sache abhaken zu können und mich voll auf die andere, also unsere Regionalliga-Mannschaft, konzentrieren zu können."

Wie läuft der Lehrgang ab? Sind die eigenen Erwartungen erfüllt worden?

Wildersinn: "Ich habe mir im Vorfeld gar nicht so viele Gedanken gemacht, sondern war einfach froh, dabei sein zu dürfen, mich weiterzubilden und viele interessante Leute kennenzulernen. Mir haben die Arbeit in der Gruppe und der interne Austausch Spaß gemacht. Man bekommt permanent neue Denkanstöße und Rückmeldung zu seinen Gedanken. Das ist eine gute Erfahrung."

Der Andrang ist natürlich groß, da es ohne die Fußballlehrer-Lizenz keinen Cheftrainer-Job in der Bundesliga gibt… 

Wildersinn: "Das ist die Eintrittskarte in den Profi-Fußball, keine Frage. Aber es ist keine Garantie, sondern lediglich die Voraussetzung, in dem Job weiterzukommen. Man muss sich glücklich schätzen, wenn man teilnehmen darf, das ist ein Privileg. Es gibt ja jedes Jahr etwa 80 Bewerber, von denen nur 24 zugelassen werden. Dementsprechend sollte man den Lehrgang genießen, auch wenn es mal stressig ist. Es gab ja durchaus Phasen, in denen ich wochenlang keinen freien Tag hatte, weil ich donnerstags wieder bei der Mannschaft war und montags wieder in Hennef sein musste. Andererseits hatte ich auch das Glück, mit meinem Zimmerkollegen Lukas Kwasniok vom Karlsruher SC eine Fahrgemeinschaft bilden zu können, so dass die Fahrten von und nach Hennef kurzweilig waren. Mit den anderen Teilnehmern habe ich mich ebenfalls gut verstanden, wir waren eine super Gruppe."

Neben den Abschlussprüfungen gilt der Eignungstest als größte Herausforderung, auch mental. Wie haben Sie die drei Tage erlebt?

Wildersinn: "Das kann ich bestätigen. Zusammen mit der mündlichen Prüfung und der finalen Lehrprobe war der Eignungstest die Situation, in der man am meisten angespannt war. Man muss drei Tage lang überzeugen und auf den Punkt performen. Zudem soll die Gruppe heterogen sein, also mit Trainern aus Verbänden, dem Nachwuchsbereich und dem profinahen Bereich bestehen, da ist die Konkurrenz groß."

Was war das Thema der schriftlichen Arbeiten? 

Wildersinn: "Während des Lehrgangs ist es ja ein Mix aus Stunden im Seminarraum und auf dem Platz. In den Hauptfächern Fußballlehre, Psychologie und Physiologie gab es am Ende jeweils eine dreistündige Klausur. Das Interessanteste für Außenstehende ist wohl die Prüfung in der Fußballlehre: Man bekommt einen Kader mit Bundesligaspielern aus allen Vereinen und muss diesen analysieren, erklären, wie man spielen möchte und wie man bestimmte Themen erarbeitet. Das Wichtigste dabei ist, das alles auch zu begründen."

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Gab es einen engen Austausch mit Julian Nagelsmann, der den Lehrgang ja schon 2016 abgeschlossen hat?

Wildersinn: "Ich hatte mich vor dem Eignungstest schon mit ihm zusammengesetzt, um zu erfahren, wie die Abläufe sind und wie ich mich vorbereiten kann. Da hat er mir sehr wertvolle Ratschläge gegeben. Und da wir uns in Zuzenhausen regelmäßig sehen, haben wir natürlich immer mal wieder Dinge besprochen. Hinzu kamen noch die drei Praktikumsphasen in einem Klub, die ich bei Julian absolviert habe. Da hatte ich natürlich einen sehr engen Austausch mit ihm und konnte viele Einblicke in die Abläufe eines Profi-Teams erhalten. Deshalb habe ich Julian schon viel zu verdanken."

Wie sieht es denn mit den eigenen Ambitionen aus, im Profi-Fußball zu arbeiten?

Wildersinn: "Man macht die Lizenz ja nicht, wenn der Profi-Fußball nicht das Ziel wäre. Man will sich die Eintrittskarte holen, um im Fall der Fälle im richtigen Moment bereit zu sein. Ich habe in Hoffenheim noch einen Vertrag bis 2019. Wir arbeiten bei der U23 der TSG in einem professionellen Umfeld, was die Infrastruktur und die Manpower im Trainerteam angeht. Für eine U23 und damit eine Ausbildungsmannschaft ist das außergewöhnlich gut, da habe ich für mich persönlich Top-Bedingungen, mich weiterzuentwickeln. Ich verspüre deshalb nicht den Drang, mich sofort verändern zu müssen. Aber irgendwann kann das Thema natürlich aufkommen."

Sie sind zur richtigen Zeit im richtigen Job. Die Perspektiven für junge Trainer sind deutlich besser als noch vor zehn Jahren.

Wildersinn: "Die Vereine haben es vermehrt mit jungen Trainern probiert und es hat oft geklappt. Zudem ist das Geschäft sehr schnelllebig, es gibt viele Trainerwechsel und jeder Verein weiß, dass es gute, junge Trainer gibt. Darum wird es für mich sicherlich auch einmal die Chance geben, mich zu beweisen. Zudem hat sich der Blick auf die TSG-Trainer im Nachwuchsbereich durch die Erfolge von Julian und Domenico Tedesco sicherlich noch einmal verändert. Wir profitieren hier alle davon, dass sie so einen super Weg eingeschlagen haben und können sehr froh darüber sein."

Ihre Assistenten Kai Herdling und Andreas Ibertsberger konnten in dieser Saison durch ihre partielle Abwesenheit auch wertvolle praktische Erfahrung sammeln…

Wildersinn: "In den drei Tagen pro Woche, wo ich in Hennef beim Lehrgang war, hatten sie natürlich mehr Verantwortung und mussten mehr Entscheidungen treffen. Auch in der Trainingsgestaltung haben sie in den zehn Monaten immer mehr Freiraum bekommen, weil ich beiden zeigen wollte, dass ich absolutes Vertrauen in ihre Arbeit habe. Beide waren noch nie Cheftrainer, aber ich habe dieselben Erfahrungen gemacht, als ich in der U23 des Karlsruher SC Assistent von Markus Kauczinski war. Das hat mir damals extrem viel gebracht. Das wollte ich beiden ermöglichen – und beide machen das gut. Kai ist ja von seinem Naturell her ein typischer Cheftrainer und übernimmt ab Sommer die U16."

War es in Phasen, in denen es nicht lief, für Sie belastend, nicht bei der Mannschaft sein zu können?

Wildersinn: "Absolut. Man nimmt das Ergebnis vom Wochenende mit in den Lehrgang. Und zu Saisonbeginn lief es bei uns in der U23 nicht gut, wir mussten ein paar Nackenschläge einstecken und da bin ich nicht ganz so gern drei Tage nach Hennef gefahren. Aber so hatte ich auch mal Zeit und drei Tage Abstand, um das Spiel vom Wochenende sacken zu lassen und es mit einem vielleicht etwas klareren Blick mit der Mannschaft zu analysieren. Ich bin aber trotzdem froh, ab sofort wieder in jeder Einheit bei der Mannschaft zu sein und freue mich wieder auf die tägliche Arbeit. Wir wollen uns in dieser Spielzeit weiter verbessern und in der Tabelle so weit wie möglich nach oben kommen."

 

 

 

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