Alle Ergebnisse TSG eSPORTS TSG IST BEWEGUNG TSG Radio
MÄNNER
17.05.2016

Julian Nagelsmann: "Ich spüre schon das Kribbeln"

Im Februar übernahm Julian Nagelsmann den Posten des Cheftrainers bei der TSG. Er führte die Mannschaft zum Klassenerhalt. Mit ein paar Tagen Abstand zur Spielzeit 2015/16 spricht der 28-Jährige mit achtzehn99.de über die abgelaufene Spielzeit, den Hype um seine Person, seine Pläne für den Sommer, die U19 der TSG und die Vorfreude auf die Spielzeit 16/17.

Hallo, Julian. 14 Spiele, 24 Punkte. Wie fällt dein Saisonfazit aus?

Julian Nagelsmann: Alle bei der TSG haben sich diese Saison grundsätzlich anders vorgestellt. Die Freude über den Klassenerhalt ist natürlich große, die Party-Stimmung hält sich aber in Grenzen. Es gibt viel zu analysieren. Mein persönliches Fazit ist mit Ausnahme der beiden abschließenden Saisonspiele gut. Ich hätte gerne 27 Punkte in der Rückrunde geholt, um insgesamt bei 40 Punkten zu stehen. Wir haben in der Rückserie viele Punkte gesammelt und trotzdem war es am Ende sehr knapp. Ich will mir gar nicht vorstellen, wenn es seit meiner Amtsübernahme nur so mittel gelaufen wäre - dann hätte es wohl nicht für den Klassenerhalt gereicht.

Wer war im Kampf um den Klassenerhalt mehr gefragt - der Motivator und Psychologe Nagelsmann oder der Taktiktüftler?

Nagelsmann: Wir hatten auch taktisch einiges umzustellen, weil die Mannschaft zu wenig Tore geschossen hat, um Spiele zu gewinnen. Deshalb wollten wir von Anfang an offensiver spielen. Aber in erste Linie ging es darum, die Köpfe der Spieler freizubekommen. Erfolgserlebnisse sind dabei ganz wichtig - deshalb war die Partie in Bremen zu Beginn meiner Amtszeit ein guter Start. Wir haben dort zwar nur ein 1:1 geholt, aber ein frühes Tor gemacht, das Team hat in einem neuen System mit Dreierkette gut gespielt und am Ende in Unterzahl toll dagegengehalten. Solche Erlebnisse sind die besten Motivationsstützen. Ansonsten habe ich viele Einzelgespräche geführt und versucht, in jedem Training Freude am Fußball zu vermitteln. Das ist eine Grundvoraussetzung für Erfolg.

Blicken wir noch mal auf die Rettung in Hannover. Wann hast du erfahren, dass es gereicht hat?

Nagelsmann: In der 82. Minute wurde ich das erste Mal informiert, dass wir in der Liga bleiben, wenn es auf allen Plätzen so bleibt. Nach dem Abpfiff bin ich in die Kabine gerannt, unser Torwarttrainer Michael Rechner kam hinterher und hat mir gesagt, dass das Spiel in Köln zu Ende ist und wir es geschafft haben. Das dürfte so um 17.20 Uhr gewesen sein.

Wie war deine Reaktion?

Nagelsmann: Nicht so euphorisch, weil ich mich sehr über das Spiel in Hannover geärgert habe. In Bezug auf die Mentalität war das die schlechteste Leistung seit ich hier bin - und das in einem sehr wichtigen Spiel. Da war ich nicht zufrieden. Wäre es auf den anderen Plätzen anders gelaufen, hätten wir am letzten Spieltag gegen Schalke einen enormen Druck gehabt. Die Freude kam erst durch, als ich wieder auf den Platz gelaufen bin, die Spieler umarmt und ihnen gedankt habe. Dazu kam die Stimmung im Stadion - die war trotz des Abstiegs von Hannover großartig und das hat sich irgendwie übertragen.

Der Hype um deine Person war seit Amtsantritt groß. Hast du damit gerechnet?

Nagelsmann: Mir war klar, dass es eine große Sache wird - aufgrund meines Alters. Wenn man mit 28 in der Wirtschaft ein bekanntes Unternehmen leitet, wäre das auch eine große Geschichte. Mich stört die Aufmerksamkeit nicht so sehr. Die Leute dürfen mich gerne ansprechen und um ein Bild bitten. Solange sie freundlich sind, ist das nie ein Problem.

Die TSG-Fans sprechen oft vom "Retter Nagelsmann". Wie gehst du damit um?

Nagelsmann: Ich bedanke mich für die Unterstützung und die netten Worte. Ich habe das schon mal gesagt - man wird da manchmal in ein zu großes Licht gerückt. Ich habe sicherlich einen Anteil am Klassenerhalt, aber ich bin nicht allein der Retter. Jeder hier im Klub, jeder, der mit Mannschaft arbeitet, und vor allem das Team hat einen Anteil. Im Erfolgsfall ist man als Trainer nicht alleine verantwortlich - das weiß ich und deshalb kann ich die Situation richtig einordnen.

Durch den Erfolg wurde der Trubel im Saisonverlauf immer größer. Wobei kannst du im Alltag abschalten?

Nagelsmann: Vor allem beim Radfahren - wenn ich auf dem Königstuhl bin, die Vögel singen und kein Mensch zu sehen ist, dann erhole ich mich. Das ist eine Mischung aus Anstrengung beim Hochfahren und Adrenalin bei der Abfahrt. Das tut gut. Auch auf dem Motorrad kann ich gut abschalten, aber das mache ich nicht mehr so oft seit ich Vater bin. Und natürlich ist auch die Familie ein Ruhepol. Das ist zwar kein klassisches Abschalten, weil ich ja mit meinem Sohn spielen und mit meiner Freundin Zeit verbringen möchte, aber es hilft vom Fußball wegzukommen. Es ist schön, in diesem Umfeld gebraucht zu werden.

Wie nutzt du die fußballfreie Zeit in der Sommerpause?

Nagelsmann: Zuerst steht noch die Kaderplanung an, aber dann geht es erst an den Chiem- und dann an den Gardasee. Zum U19-Finale bin ich dann wieder hier. Im Anschluss habe ich noch mal dreieinhalb Wochen frei - die sind noch nicht verplant. Wir werden wohl in München und Landsberg sein, um Zeit in der Heimat und mit der Familie zu verbringen.

In der Vorbereitung geht es in die Alpen. Wie sind die Entscheidungen für Garmisch-Partenkirchen und Bad Häring gefallen?

Nagelsmann: Mit der U19 war ich in den vergangenen beiden Jahren zur Vorbereitung in den Alpen - das ging immer ganz gut aus. Das hat eine Rolle gespielt. Zudem bin ich ein Kind der Berge. Ich fühle mich dort sehr wohl, habe in der Kindheit und Jugend viel Zeit dort verbracht - auf der Berghütte der Familie. Zudem ist die Luft gut, es gibt wenig Verkehr und ich mag das Flair, wenn ein Fußballplatz inmitten von Bergen liegt. Das ist ein schönes Arbeiten. Außerdem bieten die Berge viele Möglichkeiten, wenn es darum geht, Alternativen zum Training zu haben: Canoeing, Rafting und mehr.

Die U19-EM steht an, die Europameisterschaft, das olympische Fußballturnier. Ignorierst du das oder ist Schauen Pflicht?

Nagelsmann: Ich werde nicht jedes Spiel anschauen, aber die Turniere natürlich verfolgen. Vielleicht schaue ich mir auch noch mal ein Spiel bei meinem Heimatverein an.

Die U19 steht wieder im Finale um die Deutsche Meisterschaft - Wie stolz macht dich das?

Nagelsmann: Sehr stolz. Es war für die Mannschaft kein einfaches Jahr. Ich war in der Fußballlehrer-Ausbildung oft weg, aber Matthias Kaltenbach hat die Situation super aufgefangen. Dennoch wollten die Jungs auch viel Input von mir - da habe ich in die Einheiten viel reingepackt. Das war anstrengend für die Spieler. Dann kam im Februar der Wechsel zu den Profis, Matze musste alleine übernehmen. Dass dieser Übergang so reibungslos funktioniert, ist nicht selbstverständlich. Das Team spielt trotz vieler Hindernisse und vieler schwerer Verletzungen wichtiger Spieler eine gute Runde und ich glaube, dass sie den Titel holen können, wenn sie gegen Dortmund das abrufen, was sie im Halbfinal-Hinspiel gegen Bremen gezeigt haben.

Wann stellt sich die Vorfreude auf die neue Saison ein?

Nagelsmann: Das ist ein bisschen verrückt. Am Montagabend lag ich im Bett und habe mir ein paar Gedanken zur Vorbereitung gemacht - was ich wann trainieren möchte. Und da habe ich einen gewissen Druck und ein Kribbeln gespürt. Ich will die vergangenen Wochen mit der Mannschaft in der neuen Saison ja bestätigen. Jetzt haben wir die Klasse gehalten, aber das interessiert in drei Wochen niemanden mehr. Dann geht es darum, was in der neuen Spielzeit passiert. Ich will mit der TSG eine gute Saison spielen. Ich habe mich dann gezwungen abzuschalten und nicht an Fußball zu denken. Ich freue mich auf meine erste richtige Saison, mit der Vorbereitung und allen Spielen. Die richtige Vorfreude wird dann in drei, vier Wochen kommen, wenn die neue Saison in Sichtweite ist.

Zum Trainerprofil Julian Nagelsmann >>

Jetzt Downloaden!
Seite Drucken nach oben