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MÄNNER
03.04.2012

Babbel: „Hier kann man noch einiges bewegen“

Seit rund 50 Tagen ist Markus Babbel nun Cheftrainer bei 1899 Hoffenheim. Nach der Trennung der TSG von Manager Ernst Tanner übernimmt der 39-Jährige zusätzlich bis mindestens zur neuen Saison das Amt des Managers. Über die noch ungewohnte Doppelfunktion, ungewöhnliche Aufeinandertreffen mit Weltstars sowie seine Ziele mit der TSG berichtet er im Interview mit achtzehn99.de.

achtzehn99.de: 8 Spiele, 10 Punkte – wie lautet das Zwischenfazit des Trainers?

Markus Babbel: Gemischt. Wir haben sicherlich einige Punkte liegen gelassen, gerade in den Spielen gegen Bremen, Köln und Mainz. Unter den Umständen können und müssen wir aber zufrieden sein. Mein Blick ist aber ohnehin eher nach vorne gerichtet.

Vergangene Woche trennten sich die Wege von Ernst Tanner und 1899 Hoffenheim. Mit Tanner haben Sie noch Ihren Vertrag als Trainer ausgehandelt. Was waren aus Ihrer Sicht die Gründe für die Trennung?

Es ging vor allem um die zukünftige sportliche Ausrichtung des Vereins. Oder konkreter: um die Kaderplanung für die kommende Saison. In den Gesprächen, die wir seit meinem Antritt geführt haben, hat sich herausgestellt, dass wir da unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das habe ich dann mit den Gesellschaftern um Dietmar Hopp besprochen. Auch in dieser Konstellation hatte es bereits Differenzen gegeben. Die Konsequenz aus allem war die Trennung. Der gegenseitige Umgang war dabei immer offen und ehrlich.

Wie empfanden Sie die öffentlichen Reaktionen auf diese Entscheidung?

Es ist ganz normal, dass bei einem Wechsel in der Führungsebene innerhalb eines Fußballclubs medial Einiges über einen hereinbricht. Richtig machen kannst es dann ohnehin nicht. Das gehört zum Geschäft und das muss man aushalten. Ich erlebe das ja nicht zum ersten Mal.

Sie werden nun als Teammanager eine Doppelfunktion bis Ende der Saison ausüben. Haben Sie keine Angst vor Überarbeitung?

Nein, denn so viel wird sich für mich nicht ändern. In der täglichen Trainingsarbeit habe ich in Rainer Widmayer ohnehin schon einen Vollprofi an meiner Seite, der mir sehr viel Arbeit abnimmt. Zudem ist die sportliche Abteilung bei uns exzellent aufgestellt. Da muss halt jeder künftig noch eine kleine Schippe drauflegen.

Wie ist die Arbeitsteilung zwischen Ihnen und Rainer Widmayer?

Die Entscheidungen liegen bei mir, aber wir besprechen im Vorfeld die Trainingsplanung und -gestaltung. Rainer ist ein ausgezeichneter Fußballlehrer und setzt dann die konkreten Trainingseinheiten auf dem Platz um. (lacht) Das schont auch meine Stimme für die vielen Gespräche, die jetzt auf mich zukommen.

Ist diese Entlastung gerade jetzt von Vorteil, wenn wesentliche Aufgaben neben dem Platz hinzukommen?

Ganz klar. Ich rede jetzt mit den Spielern ja nicht nur über die bevorstehenden Spiele, sondern auch über die kommende Saison und über ihre Perspektiven im Verein. Wenn ich mich in dieser Situation an alle Aufgaben klammern würde, bräuchte ich wohl nach einem Monat bereits eine Auszeit. Aber dafür habe ich ja kompetente und vertrauenswürdige Leute im Team.

Wann beginnen die konkreten Planungen für die nächste Saison?

Die laufen bereits. Ich habe mir ja auch als Trainer Gedanken über den Kader in der nächsten Saison gemacht und springe daher nicht ins kalte Wasser. Jetzt sprechen wir zunächst mit allen Spielern über ihre Zukunft. Da schließe ich zu diesem Zeitpunkt noch keinen aus.

Gilt das auch für die verliehenen Spieler wie Gylfi Sigurdsson, Kevin Volland und Michael Gregoritsch?

Natürlich. Wir werden ihre Entwicklung analysieren und uns dann mit ihnen zusammensetzen. Es geht da auch um das, was die Spieler wollen.

Steht Hoffenheim ein Kaderumbruch bevor?

Nein. Wir haben bereits jetzt mit den meisten Spielern langfristige Verträge. Ein paar offene Fragen gibt es sicherlich, der Kader ist groß. Aber vielleicht passiert am Ende auch nur sehr wenig. Qualität haben wir in unseren Reihen, das ist unbestritten.

Halten Sie bezüglich Vertragsverlängerungen oder Transfers Rücksprache mit Dietmar Hopp und/oder dem Beirat?

Nicht, was einzelne sportliche Fragen angeht, aber finanziell: ja, natürlich. Wir bewegen uns in einem vorgegebenen Rahmen, an dem ich mich orientiere. Und wenn bestimmte Summen ins Spiel kommen, tagt auch mal der Beirat.

Das System des Teammanagers wird bei vielen großen europäischen Clubs erfolgreich angewendet. Wenger bei Arsenal, Ferguson bei ManU, Guardiola bei Barcelona, Mourinho bei Real. Was sind die wesentlichen Vorteile?

Man hat eine höhere Entscheidungsgewalt, mehr Eigenverantwortung. Man stellt das Team mehr oder weniger alleine zusammen, und man ist für dessen Entwicklung und die tägliche Arbeit zuständig. Das ist zwar ein Vorteil…

…Aber? Gibt es auch Nachteile?

Der Druck auf den Teammanager und die Arbeitsbelastung ist noch einmal größer als der, der auf einem Trainer lastet. Aber in meiner Profi-Karriere habe ich gelernt, mit Druck umzugehen. Ich freue mich auf die Aufgabe.

Ist das für Sie eine vorübergehende Lösung oder könnten Sie sich diese Rolle langfristig vorstellen?

Die Frage stellt sich mir zurzeit noch nicht. Ich finde es gut, das jetzt einmal für eine überschaubare Zeit ausprobieren zu können. Was dann nach dem Sommer passiert und ob ein neuer Manager kommt, hat derzeit nicht die höchste Priorität für mich.

Sie sagten zuletzt, Sie wollen das Hoffenheimer Konzept, junge Spieler zu fördern und einzusetzen, fortführen. Gibt es dabei Einschränkungen im Vergleich zu Ihrem Vorgänger?

Zunächst mal finde ich die Arbeit, die hier und auch in den diversen Nachwuchszentren aufgebaut wurde und geleistet wird, sensationell. Bei der TSG wird auf einem außergewöhnlichen Niveau Nachwuchsarbeit betrieben, und das erst seit wenigen Jahren – das vergessen die meisten, die kritisieren, dass noch nichts dabei herumgekommen sei. Ich bin ganz sicher, dass wir von dieser Arbeit profitieren und auf mittlere Sicht Spieler in die Profimannschaft integrieren werden. Was die Einschränkungen angeht: Ich bin der Meinung, nur mit jungen Spielern geht es auch nicht. Wir haben das jüngste Bundesligateam, spielerisch stark, aber eben auch unerfahren. Das hat man leider schon einige Male gesehen, vor allem in der Schlussphase der Spiele, wenn es um Dinge wie Cleverness oder die nötige Abgebrühtheit geht. Hier möchte ich Abhilfe schaffen. Auf einigen wenigen Positionen brauchen wir gestandene Spieler, die die jungen Profis führen können.

Ist es von Vorteil für Sie als Trainer, dass Sie als Spieler eine erfolgreiche Karriere hatten?

Ich denke schon. Aufgrund meiner Vita wissen die Spieler, dass sie mir vertrauen können, aber auch, was ich von ihnen erwarte. Dazu kommt der Respekt, der dir entgegen gebracht wird, wenn du wie ich ein paar Pokal in der Vitrine stehen hast.


In Hoffenheim haben Sie von Beginn an durchgegriffen und Sejad Salihovic aus disziplinarischen Gründen vorübergehend nicht berücksichtigt. Nach seiner Einwechslung hat er gegen Stuttgart eine gute Leistung gezeigt. Wie ist er mit der Maßnahme umgegangen und waren Sie mit seinen Leistungen gegen den VfB und in Gladbach zufrieden?

Er hat sich so verhalten, wie ich es von einem Profi erwarte. Er hat sich nicht gehen lassen, sondern bei der U23 hart trainiert, sich für ein Ligaspiel der Mannschaft zur Verfügung gestellt und sich auch dort voll reingehängt. Gegen Stuttgart hat er nach seiner Einwechslung ordentlich Dampf gemacht und das Offensivspiel bereichert. In Gladbach hat er sich nach einem schwierigen Start für die ganze Mannschaft und nach dem Gegentor zurückgekämpft und den Siegtreffer vorbereitet. Ich bin zufrieden, und die Sache ist für uns beide erledigt.

Sie haben bei mehreren Top-Clubs gespielt (u.a. Bayern, Liverpool) und Erfolg gehabt. Wodurch unterscheiden sich diese Vereine von anderen?

Der Hauch einer großen Vergangenheit umweht diese Clubs, sie haben große Erfolge erzielt, sehr viel Identität geschaffen und eine riesige Fangemeinde. Davon sind wir in Hoffenheim logischerweise noch ein ganzes Stück entfernt. Aber auch hier gibt es großartige Fans und eine Menge Potenzial für die Zukunft. Ich möchte dabei mithelfen, die TSG weiterzuentwickeln. Hier kann man noch einiges bewegen.

Ihre Trainerkarriere begann beim VfB Stuttgart. Dort mussten Sie gleichzeitig auch die Trainerlizenz nachholen. Empfanden Sie das als Belastung?

Allerdings, schlussendlich war das auch einer der Gründe, warum ich meinen Trainerjob dort verlor. Monatelang: Drei Tage in der Woche Trainerakademie in Köln, dann vier Tage Bundesliga beim VfB – das habe ich nicht verkraftet.

Die Akkus waren komplett leer. Was lernt man in der Ausbildung zum Fußballlehrer, was man als Ex-Profi nicht sowieso schon weiß?

Gute Frage (lacht). Nein, es gibt natürlich theoretische Ansätze, mit denen du dich als Fußballer nie konkret auseinandergesetzt hast. Insofern ist diese Ausbildung schon sehr wertvoll und vervollständigt ein gutes Rüstzeug zu einer sehr guten Ausstattung, die man als Trainer im heutigen Geschäft braucht.

Laktattest, Videoanalyse, Ernährungsberatung, Statistische Auswertung – wie denken Sie über den Nutzen vom wissenschaftlichen Fortschritt für Ihre tägliche Trainingsarbeit?

Es sind wichtige Hilfen, die man aber nicht überbewerten darf. Was zählt, ist die Leistung auf dem Platz. Wir nehmen alles mit, was dabei hilft, die Jungs besser zu machen.

Was waren besondere Gegner oder Spiele in Ihrer Karriere?

Ein besonderes Spiel, das ich nie vergessen werde, war gegen Zinedine Zidane. Wir haben mit den Bayern im UEFA-Cup-Finale bei Girondins Bordeaux gespielt. Zidane hat mir nach einem Zweikampf eine Ohrfeige gegeben. Es hat niemand gesehen, daher ist er ungestraft davon gekommen. Ich war verdutzt, habe ihm dann aber mit den Fingern den aktuellen Spielstand nochmal verdeutlicht. Es stand zu dem Zeitpunkt 3:0 für uns (Endstand 3:1 für Bayern, die Red.) Ein anderes war das Halbfinale bei der Europameisterschaft 1996 gegen England, als ich gegen Alan Shearer gespielt habe und wir im Elfmeterschießen ins Finale eingezogen sind. Sein Trikot habe ich heute noch zuhause.

Sie haben zuletzt eine Wohnung in Heidelberg bezogen. Wie gefällt Ihnen die Gegend?

Viel Zeit für Sightseeing bleibt nicht. Ich schaffe es ja gerade mal, abends gelegentlich noch einkaufen zu gehen. Aber ich fühle mich hier sehr wohl. Die Leute sind freundlich und die Landschaft erinnert mich schon stark an meine Heimat in Bayern.

Zum Schluss ein kleiner Ausblick auf das Saisonfinale und die kommende Spielzeit. Was sind die Ziele mit Hoffenheim?

Da geht es mir als Trainer wie es mir als Spieler gegangen ist: Ich will jedes Spiel gewinnen. Da ich realistisch bin, weiß ich, dass wir wohl auch in der kommenden Saison nicht um die Meisterschaft spielen werden. Aber wenn man einen einstelligen Tabellenplatz als Ziel ausgibt, und das habe ich vor, dann schielt man als Sportler automatisch auf die internationalen Plätze.

Und wer wird Meister?

Diese Saison glaube ich mittlerweile, dass es die Dortmunder wirklich wieder packen könnten. Nächste Saison sind dann wieder die Bayern dran.

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